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Ausstellungen: Basel · von Hans-Dieter Fronz · S. 312 - 313
Ausstellungen: Basel , 2017

Musikmaschinen / Maschinenmusik

Museum Tinguely 19.10.2016 – 22.01.2016
von Hans-Dieter Fronz

Das Klavier hat Karies, klarer Fall. Tief frisst sich die Zahnfäule bereits an mehreren Stellen ins einst makellos weiße Gebiss der Tasten. Dessen Farbpalette reicht mittlerweile von Weiß über Gelb bis zu sehr ungesundem Braun. Pinocchio, der an einer Metallstange knapp über der Tastatur schwebt, schaut entsetzt.

Immerhin erfüllen selbst die Tasten mit Karies noch halbwegs ihre klangerzeugende Funktion. Auf den perfekten Klang kommt es bei Jean Tinguelys Musikmaschinen, in denen sich musikalische Töne und Geräusche unterschiedlichster Provenienz zu einem Lärmbrei vermischen und deren eine – „Méta-Harmonie II“ – das fragliche Klavier in ihren komplizierten Mechanismus integriert hat, ohnehin nicht an. Wo immer der Bildhauer das ruinös versehrte Instrument 1979 aufgetrieben hat, es kann seinen Geldbeutel nicht allzu stark belastet haben. Zahlreiche Bestandteile, aus denen sich die Schöpfungen seiner Werkgruppe der „Méta-Harmonien“ zusammensetzen – neben Musikinstrumenten wie Metallophon und Ziehharmonika auch abgenutzte Holzräder, ausgedientes Kinderspielzeug oder alte Kochtöpfe –, fand er auf Flohmärkten. Eher selten ging er dafür in einen Laden.

Die annähernd sieben Meter lange und vier Meter hohe Musikmaschine mit dem kariösen Klavier ist einer der Stars der Ausstellung „Musikmaschinen/Maschinenmusik“ im Basler Museum Tinguely. Zweimal pro Stunde tritt die kinetische Skulptur lärmend in Aktion: als Solistin zeitlich versetzt zu den anderen vier Höllen- oder Musikmaschinen der Schau; zur vollen Stunde jeweils im Konzert mit ihnen. Auch das Klavier trägt seinen Part zur kakophonischen Ganzen bei, wenn ein an einer Metallstange befestigter Pantoffel und die Pinocchio-Figur aus Holz…



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von Hans-Dieter Fronz

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