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Monografien / Gespräche mit Künstlern · von Jens Asthoff · S. 176 - 187
Monografien / Gespräche mit Künstlern ,

Linda McCue

Gewebe der Dinge
von Jens Asthoff

Rechts hängt ein Blatt Papier, links, knapp hinter der Tür, hängen zwei. Doppelt gefaltet, von Knickspuren durchzogen und etwas vergilbt. Ungerahmt und mit transparentem Klebeband an einer grob geweißten Wand befestigt. Die Blätter zeigen dünn mit Bleistift skizzierte Landschaftsmotive: hier eine flüchtig erfasste Hügelkette, dort eine von Bergen begrenzte Bucht, vielleicht ein See. Vage genug, um von überall stammen zu können, quasi Landschaft im Infinitiv. Umso spezifischer wirken die fragile Handschriftlichkeit der Zeichnung sowie Materialität und Gebrauchsspuren des Papiers, beides scheint eine Geschichte, eine persönliche Erinnerung zu bergen, während die Motive selbst sich der genaueren Lektüre verschließen.

Die Arbeiten gibt es nicht mehr. Es handelt es sich um fotografisch dokumentierte Frühwerke von Linda McCue, die sie in ihrer Studienzeit für die Jahresausstellung an der HfbK Hamburg 1997 als raumbezogene Installation realisierte. Nur bei genauem Hinsehen zeigt sich – damals vor Ort wie auf den Fotos heute –, es sind gar keine Zeichnungen, sondern drei minutiös gearbeitete Trompe-l’œil-Gemälde, die Blätter mit Zeichnungen täuschend echt abbilden. Auch der durch Faltung entstehende Schattenwurf ist hinzugefügt, selbst das transparente Klebeband präzise mit Klarlack ergänzt. Inszenierung spielt ebenfalls eine Rolle: McCue hatte die kleinformatigen Arbeiten in der Malereiklasse zwischen abgegriffenen Lichtschaltern, Kabeln und einem gefliesten Waschbecken ohne Bildträger direkt auf der Wand ausgeführt. Ein zunächst unscheinbarer, im Moment des Erkennens aber plötzlich spektakulär wirkender Ausstellungsbeitrag.

Rückblickend erscheinen die gemalten Zeichnungen Ohne Titel (1997) richtungsweisend für McCues Werk. Im Umgang mit dem Trompe-l’œil öffnen ihre Gemälde und Zeichnungen mehrdeutige Bildräume. McCues Malerei…

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