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Ausstellungen: Hamburg · S. 367 - 368
Ausstellungen: Hamburg , 1990

Doris von Drathen
Achim Manz

Galerie Ulla Klot, Hamburg, 10.5. – 2.6.1990

Kein Ort nirgends” – dieses Wortbild von Christa Wolf ist vielleicht der größte Fluch, dem ein Mensch begegnen kann.

Keinen Ort haben, an dem sich Gewohnheit ausbreiten kann, der Ankerplatz sein kann für alles Erleben, das ist das Schlimmste an der Not, obdachlos zu sein.

Als Achim Manz unter eine Hamburger Brücke drei Hütten baute, die gut gezimmert waren, gegen Feuchtigkeit isoliert und so groß, daß ein Mensch darin bequem schlafen kann, wurde er von wohlmeinenden sozial engagierten Damen des Zynismus bezichtigt. Die Hamburger Clochards aber waren keineswegs beleidigt, sondern breiteten begeistert ihre Schlafsäcke in den Hütten aus; ein doppelter Holzunterboden, noch dazu einer, der fachmännisch zwanzig Zentimeter Zwischenraum hat und damit Wärme bietet, ist besser als ein Pappkarton. Die Alternative heißt schließlich nicht Sozialwohnung oder Holzhütte, es gibt keine Alternative. Der Zynismus liegt nicht darin, Obdachlosen eine Hütte zu bauen, der Zynismus liegt in der Gesellschaft, die kein Interesse und keine Phantasie hat, sich dem Problem der Obdachlosigkeit zu stellen – Museumsbauten sind prestigeträchtiger als soziale architektonische Aufgaben.

Manz hat lediglich das Drama der Obdachlosigkeit in seiner ganzen zynischen Härte gezeigt, nämlich daß eine Hütte schon als Linderung dieser für jeden bürgerlich lebenden Menschen unvorstellbaren Not erlebt werden kann.

Und Manz hat noch etwas realisiert – er hat dem Problem einen Ort gegeben. Das ist vielleicht das Unerträgliche an dieser Arbeit – ein Obdachloser in einem provisorischen Karton, das stört den Bürger weniger als die gezimmerte Ungerechtigkeit.

Ulla Klot ist die erste Galeristin, die…


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