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Titel: 60. Venedig Biennale - Analyse · von Michael Hübl · S. 68 - 75
Titel: 60. Venedig Biennale - Analyse ,

Am Brunnen bei den Rohren

Der Italienische Pavillon und das Bedürfnis nach nationaler Selbstdarstellung / Massimo Bartolini im Fokus politischer Provokation
von Michael Hübl

Ein Fest für die Augen – mit diesem abgegriffenen Topos könnten marketing-affine Pathetiker Großveranstaltungen wie die Biennale di Venezia bejubeln. Nüchtern betrachtet stimmt an der Aussage immerhin so viel: Das Auge, Zentralorgan visueller Wahrnehmung, findet in den Giardini, in den Arsenalen oder in den über das Stadtgebiet verteilten ‚Pavillons’ sein gleichsam ureigenes ästhetisches Terrain. So weit, so unspektakulär. Neu ist, dass Augen zum Politikum werden. Einen Monat vor der Eröffnung der 60. Kunstbiennale kam es im italienischen Parlament zu einem Eklat. Angelo Bonelli, Abgeordneter der Partei Europa Verde, spricht vor dem Plenum im Palazzo Montecitorio. Er hat kaum begonnen, seine Themenliste abzuarbeiten, da wendet er sich an Giorgia Meloni und fordert Italiens Ministerpräsidentin auf: „Starren Sie mich nicht mit diesem, sagen wir: beunruhigenden Blick an!“1

Die Episode machte weltweit die mediale Runde. Aus dem – wahlweise als stechend, starr oder gläsern interpretierten – „Blick“ wurden in manchen Presseorganen „die Augen“,2 die durch die Reaktion der Angesprochenen zusätzliche Aufmerksamkeit erlangten: Die Politikerin zog kurzerhand für einige Sekunden ihren Blazer über den Kopf. Das alles hatte mit der Biennale in Venedig unmittelbar nichts zu tun, tangiert sie aber insofern, als auch diese Ausstellung vom ‚Meloni-Effekt‘ betroffen ist. Seit ihrem Amtsantritt im Oktober 2022 steht Il Presidente del Consiglio dei Ministri (so der offizielle Titel) nicht nur deshalb im Fokus öffentlichen Interesses, weil sie als erste Frau eine italienische Regierung führt, sondern…

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