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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 44 - 47
Fragen zur Zeit ,

Fragen zur Zeit
Aspekte eines Verbrechens

Michael Hübl
Was Terroristen nicht schafften: Vladimir Putin und seinem Regime ist ein brutaler Diskurswechsel gelungen

Im Isländischen ist alles anders. Wien heißt weder Vienna, noch Vienne, sondern Vínarborg, was man mit Wienerstadt übersetzen könnte. Kopenhagen wird Kaupmannahöfn, also Kaufmannshafen, genannt. Und dann ist da noch Kænugarður, wörtlich: der Kahngarten. Der Name erinnert an die Zeiten, als die Wikinger von Skandinavien aus in alle Himmelsrichtungen aufbrachen, England besetzten, Island besiedelten, bis Konstantinopel vordrangen. Eine ihrer Gruppen, die Waräger, zogen ihre Boote in Kænugarður an Land. Das war im 9. Jahrhundert. Die Stadt, auf deren Fluss die Kähne der Nordmänner wie in einem Garten zusammenfanden, wurde zu einem Machtzentrum der Waräger. Heute heißt sie nur noch auf Isländisch Kænugarður. Die übrige Welt kennt sie als Kiew.

Kiew zählte zur Zeit der Olympischen Winterspiele 2022 rund drei Millionen Einwohner. Schwer bis unmöglich zu ermitteln, wie viele von ihnen vorm Fernseher oder per Smartphone die letzte Kür der Eiskunstläuferin Kamila Walijewa gesehen haben. Den Sensibleren unter diesen Frauen und Männern muss der tänzerische Wettlauf der 15-Jährigen gegen das Scheitern wie ein Menetekel vorgekommen sein. Der Plan war: Es sollte der blutjungen Sportlerin ergehen wie 1984 in Sarajewo dem Eislaufpaar Jayne Torvil und Christopher Dean, die zu den Klängen von Maurice Ravels „Boléro“ grandios, glänzend und elegant Gold errangen. Doch schon nach wenigen Takten, das Fagott hat sich noch nicht zu den Flöten hinzugesellt, patzt Kamila Walijewa, wackelt. Als sie etwa zwei Minuten über das Eis geglitten und mehrmals gesprungen ist,…

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