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Ausstellungen: Rotterdam · von Edgar Schmitz · S. 346 - 347
Ausstellungen: Rotterdam , 2010

Edgar Schmitz
Atelier van Lieshout: Infernopolis

»Endlich fast völlig schwerelos«
Submarine Wharf/ Museum Boijmans Van Beuningen, 29.5. – 26.9.2010

Auch wenn Joep van Lieshout sich schon mal dahingehend äußerte, dass seine sozialen Experimentalanordnungen als heutige Pirateriemodelle zu verstehen seien, waren die vom Atelier van Lieshout vor allem in den neunziger Jahren geschaffenen Gesellschaftskonstrukte immer schon näher an progressiven Unternehmensmodellen ausgerichtet als an anarchistischen Kommunen. Sein Interesse an progressiven kapitalistischen Situationen wie der für die Cadbury-Schokoladenfabrik entwickelten Siedlung Bourneville zum Beispiel, in der sämtliche sozialen Funktionen versorgt werden und der Brunnen sich wie das Logo der Schokoladenmarke in Lila ergießt, galt immer wieder patriarchalischen Einbindungsgesten an die quasi als Familienmitglieder bevormundeten Arbeiterschaften, die sich unter diesen Bedingungen nie als autonome oder zumindest politisch bewusste Gruppen konstituieren konnten. Das hat wenig zu tun mit den scheinbar sehr verwandten Orten und Situationen, die zum Beispiel Hakim Bey ebenfalls in den neunziger Jahren als temporäre autonome Zonen beschrieb und in denen Piratennester oder bio-chemisch entgrenzte Parties für radikal eskapistische Formen von Widerstand einstanden, die sich auf sehr verschiedene Art und Weise immer wieder hegemonischen Ordnungs- und Lebensmodellen entzogen.

AVL Ville schien dennoch gerade so ein Potential einzuklagen, als auf dem Ateliergelände im Rotterdamer Hafen so etwas wie ein temporärer Freistaat entstand, auf dem gewohnt, aber auch Alkohol gebraut und Waffenmaterial gebaut wurde und der sich niederländischer Gesetzgebung weitgehend verweigerte. Als die Polizei das Areal räumte und das Museum einige der zu konfiszierenden Artikel als Kunstwerke kaufte und damit symbolisch und provokativ entschärfte, war der Rahmen der…



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