Atlas der Künstlerkartographien
Landkarten als Mass Bildlicher Fiktion in der Kunst des 20. Jahrhunderts
Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde die geographische Karte als Parabel der Malerei aufgefaßt. Beider Ziel war es, die Welt auf eine Fläche zu übertragen. Im Mittelalter betrachtete man die Karte, genau wie Malerei oder Skulptur, als Imago. Karte wie auch Kunstwerk ermöglichen es dem Auge, auf vielerlei Art zu verweilen oder auch abzuschweifen, stellen sich “in einer Vielzahl von ‘Blickwinkeln’ dar, von denen keiner bevorzugt wird: daher rührt eine ikonographische Beweglichkeit…; das reale Objekt löst sich in der Vielfalt auf”.
Kartographie – neuer Begriff
Diese vielfältige Sichtweise konzentrierte sich in der Renaissance auf einen Mittelpunkt: Die vernunftbestimmte Raumauffassung der zentralen Perspektive erforderte eine monokulare Sichtweise, Ausdruck einer fixierten Weltsicht. Malerei und Karte weisen demzufolge eher Ähnlichkeiten mit einem mathematischen Koordinatenraster auf. Es gibt jedoch in der Renaissance keinen Bruch zwischen dem Akt des Malens und dem Herstellen einer Karte, was Leonardo da Vinci belegt, der als Kartograph in die Dienste Cesare Borgias trat.
Im 17. Jahrhundert sind Karte und bildlicher Raum noch Ausdrücke des Sichtbaren, die sich überlagern und decken, selbst wenn die bearbeitete Fläche allmählich unterschiedliche Merkmale aufweist; das Bildhafte der Karte wird als Verzierung der Kartusche an den Rand gedrängt. In seinem Werk “Atelier des Malers” zeigt Vermeer ein Bild im Bild, die Karte als Bildfläche in einem geschlossenen Raum. Der Informationsgehalt der Karte wird als Licht wiedergegeben: Da sie als Mittel der Erleuchtung gesehen wird, wird sie hell beleuchtet und wie ein Bild signiert.2 Die Oberfläche wird…