Jürgen Hasse
Atmosphären der Stadt – Stadt als Gefühlsraum
Städte sind Räume pluraler Intensitäten. Ihr physischer Raum präsentiert sich in einer Dichte, in der die Bauten in gedrängter Ordnung und Unordnung neben-, in-, mit- und übereinander stehen. (Abb. 1) Im sozialen Raum berühren und überlagern sich die Lebensformen, stoßen sich ab und treten in einen autopoietischen Austausch. Im ökonomischen Raum entfaltet die Stadt Rhythmen der Werttransformation und -konsolidierung. In einer Bankenmetropole folgen sie einem anderen Takt als in einem Behördenzentrum oder einem ehemaligen Standort der Schwerindustrie. Wenn sich bestimmte Großstadttypen auch nach ähnlichen Wachstumsmustern entwickeln, so entstehen und wandeln sich Städte doch, gleich einer Biografie, im Verlauf ihrer besonderen (individuellen) Geschichte. Die jeder Stadt eigene Authentizität kann sich aber nur dann schon in einem ersten Eindruck atmosphärisch zeigen, wenn die Essenz des Authentischen ausdrucksstark genug ist, um sich der Wahrnehmung ohne suchende Anstrengung der Aufmerksamkeit mitzuteilen. Da diese atmosphärische Präsenz in der Wahrnehmung aber nie an allen Orten der Stadt zugleich und in gleicher Intensität lebendig ist, bleibt die Atmosphäre der ganzen Stadt diffuser als die räumlich begrenzter Orte. Nur im Sinne eines flimmernden Bildes lässt sich zum Beispiel in Hamburg eine maritime Atmosphäre ausmachen, in manchen Städten des Ruhrgebiets eine beklemmend kleinbürgerliche und in Berlin eine turbulent dynamische. In der Stadtwerbung werden solche luftigen Erlebnisqualitäten gerade dann beschworen, wenn sie sich für die positivierende Klischeebildung anbieten.
Die (mikrologische) Stadt leben
Konkret lokalisierbar ist eine Atmosphäre insbesondere an einem überschaubaren Ort. Der spürbare Ausdruck ihrer Wirklichkeit erwächst aus einer situativen Synthese all dessen,…