Bazon Brock
Avantgarde und Mythos
Möglichst taktvolle Kulturgesten vor Venedigheimkehrern
Im nachfolgenden will ich zwei Behauptungen von dreien in dem Umfange zu begründen versuchen, der mir augenblicklich zur Verfügung steht.
Die dritte Behauptung, die deutsche Kunstkritik habe im Anschluß an Venedig eine kaum vorstellbare Steigerung des Desasters demonstriert, in welchem sie schon seit Jahren haust, habe ich anderenorts begründet.
Hierzu nur noch dies: man hört, Harry Szeemann, ein hauptbeteiligter Ausstellungsmacher in Venedig habe mit seiner “Aperto ottanta” die Kunst der achtziger Jahre mit päpstlichem Pathos enthüllen wollen. Wie der sehr eindeutige Titel “Offen 80” besagt, ging es um das, was die gegenwärtige Situation gerade wieder als eine offene erscheinen läßt. Wer als Kritiker selbst gar nicht mehr “offen” sein kann, wird sich nur noch als Modemacher von Gnaden des dritten Auges präsentieren können, und da wäre es ja gelacht, wenn jemand anderer eine eigene Sicht auf mögliche zukünftige Entwicklungen mit einer Ausstellung demonstrierte.
Das Gleiche gilt vom Hochsitz der Kritik aus selbstverständlich auch für den Versuch dreier Ausstellungsmacher, im internationalen Pavillon zu zeigen, was sie für die gewichtigsten Äußerungen von Künstlern in den 70er Jahren halten.
“Alles Unsinn”, schnarrt die Kritik, “das sollen die 70er Jahre sein? Was da alles fehlt! Hätte man uns nur machen lassen, dann wäre etwas anderes als ‘ die 70er Jahre’ herausgekommen.” Nun freilich, immerhin das stimmt.
Nur vergessen die Kritiker, daß ihre Auswahlen mit dem gleichen Einwand, daß zu vieles fehle, hätten ebenso rechnen müssen.
Was sind das für Kritiker, die offenbar bisher noch nie bemerkt haben, daß Ausstellungen immer entscheidend durch…