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Essay · von Hermann Pfütze · S. 216 - 221
Essay , 2007

Hermann Pfütze
Das Element der Schönheit in der Welt

Von Friedrich Schiller, der 1805 starb, zu Hannah Arendt, die 1906 geboren wurde

Freiheit macht schön

Als die Berliner Mauer fiel, während der ersten Tage nach dem 9. November 1989, waren die Menschen schöner als zuvor und bald wieder danach. Ein Aroma der Freiheit umgab sie, ihre Blicke leuchteten und Kühnheit besiegte die Ängste. Ihre Freude und Bewegung, die euphorische Übereinstimmung von Denken und Wünschen, des Geists der Freiheit mit dem Sinn des Lebens, machte sie für kurze Zeit schön, bis die Hochstimmung verflog und die Sorgen des Alltags wieder Oberhand gewannen. Freiheit macht schön, das ist, bei aller Flüchtigkeit, eine nachhaltige Erfahrung jener Tage gewesen.

Noch im Nachklang erinnern jenes vielstimmige “Waahnsinn”-Stammeln, die Erstürmung der Stasi-Behörde und selbst die Hämmerchenkonzerte der Mauerspechte an gemeinsame Momente der Gewissens- und Bewegungsfreiheit, in denen damals Akteure und Zuschauer sich wiedervereinigt glaubten. Unvergesslich jene Szene, dokumentiert in dem Fernseh-Film “Ode an die Freiheit”, am Grenzübergang Bornholmer Brücke zwischen Pankow und Wedding in der Nacht zum 10. November, als ein Volkspolizist einer jungen Frau die weltbewegende Neuigkeit erklärt. Mit dem Ernst einer letzten, absurden Amtshandlung repetiert er vorschriftsmäßig die einige Stunden zuvor vom Zentralkomittee der SED verkündeten neuen Reisebestimmungen, bis die Frau ihm ungeduldig ins Wort fällt: “Und nochmal auf deutsch: Ich kann jetzt hin wo ich will”? Er kann kaum ja sagen, da küsst sie ihn stürmisch und verschwindet jubelnd in der Menge. Billy Wilder hätte die Szene nicht schöner erfinden können.

Die Begeisterung über des Ende des…


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