Der neue Kulturkampf wider die Kunst
Hanno Rauterberg über sein Buch „Wie frei ist die Kunst?“
im Gespräch mit Heinz-Norbert Jocks
Immer häufiger passiert es, dass anstößige Bilder in Museen abgehängt und Ausstellungen verhindert werden. Hanno Rauterberg, geboren 1967, seit 1998 Kunst- und Architekturkritiker im Feuilleton der „Zeit“, befasst sich in seinem Buch „Wie frei ist die Kunst?“ mit den Auswirkungen des neuen Kulturkampfes.
Heinz-Norbert Jocks: Was war der Auslöser für Ihr Buch?
Hanno Rauterberg: Hinter vorgehaltener Hand erzählten mir Kuratoren und Künstler seit einiger Zeit, dass die Denk- und Spielräume Ihrem Eindruck nach enger würden. Neuer Puritanismus. Neuer Moralismus. Politische Überkorrektheit, man kennt die Reizwörter schon länger. Es mehrten sich die Fälle, in denen Museen und Galerien zum Schauplatz ruppiger Kulturkämpfe wurden. In den USA ist es seit längerem so, dass sich manche Museen so sehr vor ihrem Publikum fürchten, dass sie kontroverse Ausstellungen erst gar nicht ins Programm nehmen. Schauen Sie sich an, was im Guggenheim-Museum in New York los war, als es 2017 ein Video des chinesischen Künstlerpaares Sun Yuan und Peng Yu zeigte: Vier Hundepaare, die aufeinander zulaufen, doch auf automatischen Laufbändern angekettet sind. Obwohl das Guggenheim darauf hinwies, es sei bei der Performance, aus der das Video hervorging, nicht zu Kämpfen zwischen den Tieren gekommen, wurde eine Onlinepetition von über 800.000 Leuten unterschrieben, die sich für „Cruelty-Free Exhibits“ aussprach. Das Guggenheim übte Selbstzensur und setzte Dogs That Cannot Touch Each Other kurzerhand ab. Von einer solchen Entscheidung gehen Schockwellen aus mit der Folge, dass viele Kuratoren,…