Peter Weibel
Die Allmacht der Sammler
Peter Weibel, 1944 in Odessa geboren, Studium der Literatur, Philosophie, Medizin, Logik und des Films in Paris und Wien, gehört zu den ersten Verfechtern einer Theorie der Medien, deren Eigengesetzlichkeiten er betont. Von 1989 bis 1994 war er Direktor des Instituts für Neue Medien an der Städel-Schule Frankfurt und von 1993 bis 1999 Kommissar des österreichischen Pavillons der Biennale Venedig. Seit 1984 ist er Professor für visuelle Mediengestaltung an der Universität für angewandte Kunst in Wien und seit 1999 Vorstand des ZKM/Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. Mit ihm sprach Heinz-Norbert Jocks über die neue Allmacht der privaten Sammler und deren Einfluss auf die Kunstgeschichte.
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Heinz-Norbert Jocks: Was bedeutet Sammeln? Was unterscheidet private Sammlungen von öffentlichen Museen? Worin liegen ihre Gemeinsamkeiten?
Peter Weibel: Sammeln bedeutet für mich primär, Kunstwerke vor dem Verschwinden und der Zerstörung zu retten. Wenn ich im Internet Statistiken aufsuche, die darüber Auskunft geben, wie viele Kunstwerke im letzten Jahrtausend aufbewahrt wurden und erhalten geblieben sind, bekomme ich als Antwort: höchstens zehn Prozent. Der Großteil produzierter Kunstwerke geht also im Laufe der Jahrhunderte verloren. Wenn wir davon ausgehen, dass der Ursprung und das Zentrum des Kunstsystems das Kunstwerk ist und es daher darum geht, Kunstwerke zu erhalten, so scheint das Kunstsystem seine Aufgabe schlecht erfüllt zu haben. Sammlungen sind ein Supportsystem, um Kunstwerke zu bewahren. Daher ist mir jede private Sammlung willkommen. Zwischen privaten Sammlungen und staatlichen Museen gibt es eine natürliche Allianz. Denn sie haben die Mission gemeinsam, Kunstwerke vor dem Verschwinden…