Die Natur der Kulturen
Heiner Mühlmanns Entwurf einer kulturgenetischen Theorie
“Stellen wir die These auf: Kultur ist ein Lebewesen.” Mit diesen Sätzen beginnt eine Darstellung, die gleichermaßen irritierend und faszinierend ist. Heiner Mühlmann wendet in seinem Buch Überlegungen der Kognitionsbiologie, der Systemtheorie und der Kulturwissenschaften an, um zu neuen Überlegungen zum Begriff und zur Bedeutung von Kultur zu kommen. Dabei geht seine Darstellung in vier Phasen vor, die spezifischen Entwicklungsschritten entsprechen. Ausgehend von sogenannten lokalen und globalen Regeln, wie sie selbstorganisierende Systeme kennzeichnen, und deren Evolution und Vererbung. Lokalen Regeln und globaler Energiefluß erzeugen in Populationen Kultur. Kulturelle Organisation ist aber auf Kooperation angewiesen, die in besonderer Weise durch Streß verändert wird. Der zentrale Begriff ist dabei der der `Maximal Stress Cooperation`, kurz `MSC`. Kooperation wird durch Einflüsse von außen und Bedingungen innerhalb des Systems zur Streß-Kooperation. Wenn es dabei um Leben und Tod geht, dann ist von `MSC` zu sprechen. “Das mächtige Energiewesen Kultur existiert. Man kann es nicht durch Philosophie beschwichtigen. Man kann seine Existenz mit philosophischen Argumenten leugnen. Aber sobald man die nächste Zeitung aufschlägt, wird man lesen, was da über Rwanda, Bosnien, Irak, die Krim, die Hooligans in Magdeburg und die Ghetto-Rap-Sänger in Los Angeles geschrieben steht.” Es ist dieser Ansatz, der einen angesichts einer Kulturlandschaft, die sich in andauernder Selbstbespiegelung nur noch selbst reproduziert und der Frage nach ihrer Berechtigung auch angesichts leerer Geldtöpfe immer geschickt auszuweichen versteht, für die Überlegungen von Heiner Mühlmanns einnimmt. Der Autor des Buches zeigt sich an einer Stelle selbst überrascht, daß…