JUSTIN HOFFMANN
Enactments of the Self
Enactments Stage und öffentlicher Raum, Graz, 27.10. – 24.11.2002
Kanäle aus Kartons, Latten und Blechen verbinden Stockwerke in einem Grazer Hinterhof. Sie haben die Architektur befallen und breiten sich aus. Sie dringen in Fenster ein und besetzen einen Balkon. Durch Geräusche und kleine Öffnungen erkennt man, dass sich darin Leben befindet. Es wird gehämmert, und man hört das Kriechen von Lebewesen. An den Enden dieser Kanäle wird stetig weitergebaut. Es ist unklar, welche Ausmaße das Gebilde noch annehmen wird. Das Projekt “Tunnel” von Ward Shelley ist für drei Wochen konzipiert. In diesem Zeitraum leben und arbeiten Frauen und Männer in den Räumen, die sie selbst geschaffen haben. Sie tragen ein Outfit, das an Science Fiction und Video Games erinnert. So wirken die “Tunnel”-Bewohner wie eine Mischung aus Handwerker und Krieger, archaisch und technoid zugleich. Sofort kommen einem Filme in den Sinn, in denen Luftschächte eine bedeutende Rolle spielen, in denen die Protagonisten unbemerkt vordringen, um ihre gefährliche Aufgabe zu erfüllen. Durch Videokameras können fast alle Bewegungen in den Kanälen verfolgt werden. Damit ist “Tunnel” auch ein Spiel mit dem Voyeurismus, eine postatomare Variante von Reality-Soaps im Stil von “Big Brother”. Man ist gespannt, was die Truppe macht, und wie sich der Bau entwickelt hat, wenn man das nächste Mal kommt. Dabei werden einem auch die Probleme von einer Ausstellung wie “Enactments of the Self” bewusst, in deren Mittelpunkt performative, ephemere und prozessuale Arbeiten stehen. Als Betrachter gewinnt man den Eindruck, immer nur einen Moment erleben zu…