Sabine B. Vogel
„Fehlende Kunst in der Stadt widerspiegelt die Verfassung der res publica“
„Öffentlichkeit“ als Ort kritischer Auseinandersetzung
Welche Bedeutung hat Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) für eine demokratische Öffentlichkeit?
Die historische Bestimmung sieht „Öffentlichkeit“ als einen sozialen und politischen Bereich an, in dem sich eine Grundbehauptung bürgerlichen Selbstverständnisses ausdrückt: die Sphäre der Beteiligung, der Kritik, der Kontrolle und der Entscheidungsfindung am sozialen Geschehen und an politischen Handlungen. Wo findet eine derartig bestimmte Öffentlichkeit statt? Hauptsächlich in den Medien, vorgenommen durch Stellvertreter, Journalisten oder andere Meinungsmacher. Mit Werken der bildenden Kunst ist es möglich, eine kritische Öffentlichkeit auch im architektonisch-physisch wahrnehmbaren Stadtraum zu installieren.
Daher wird „Öffentlichkeit“ heute in der Kunst als Ort und Bezugsrahmen, als Orientierung für eine kritische Auseinandersetzung definiert, wie in Hans Haackes Werken – die zu einer erhöhten Aufmerksamkeit im politischen, sozialen, historischen Raum führen (Abb. 1).
KiöR demonstriert Demokratie und eine aufgeklärte Haltung – inklusiv der Gefahr von Vandalismus. Der Künstler Thomas Schütte sagt: „Der eigentliche öffentliche Raum ist in den Köpfen und zwischen ihnen.“ (Vgl. hierzu auch Sabine B. Vogel, Wo ist der öffentliche Raum?, in: „Artis“, Zürich 1992, März, 44. Jahrgang)
Von der Affirmation zur Irritation
Benötigt die kapitalistische Gesellschaft die KiöR als „kritisches Feigenblatt“ oder wird sie als Repräsentationsinstrument missbraucht?
Jede Gesellschaft benötigt Wege, um eingefahrene Wahrnehmungsmuster in Frage zustellen. In der westlichen Gesellschaft der Moderne hat sich die Kunst als hervorragendes Mittel etabliert, Kritik und Genuss zu bieten, zur Differenzierung und Sensibilisierung aufzufordern, Staaten oder Ideen zu repräsentieren und subversiv in Frage zu stellen – und…