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Ausstellungen: Köln · S. 329 - 329
Ausstellungen: Köln , 1990

Jürgen Raap
Georgy Bretschneider

Galerie Zimmermann-Francken, 9.3. – 26.4.1990

In der gesamten Kultur- und Sozialgeschichte war das Verhältnis der Geschlechter zueinander eher durch Polarität denn durch Dualität bestimmt. Mythologische Überlieferungen schildern zum großen Teil Kampfsituationen. Und wo – in jüngerer Zeit – eine Abkehr von machtbetonender Rollenfixierung als emanzipatorischer Akt eingefordert wurde, haben sich die Gegensätze eher verschärft. Für den Maler Georgy Bretschneider liegt im Phänomen der Transsexualität eine der wenigen, wenn nicht die einzige Möglichkeit(en) der Auflösung eines geistesgeschichtlich festgeschriebenen Prinzips, welches das männliche und das weibliche Element (etwa in der asiatischen Yin-Yang-Philosophie) als grundsätzlich anders und verschieden definiert. In Bretschneiders Bildwelt tummeln sich hermaphroditische Zwitterwesen, mit primären wie sekundären Geschlechtsmerkmalen gleichermaßen ausgestattet. Dabei rekurriert er jedoch weniger auf das Bizarre oder Abseitige, weniger auf Sonderformen menschlicher Existenz, erst recht nicht auf Momente des Androgynen, sondern auf kultur- und zivilisationsübergreifend Archaisches. Wenn ein totempfahlänliches Gebilde, rundansichtig präsentiert, in der Vorderansicht männlich, auf der Rückseite weiblich ausformuliert ist, so zeigt sich hier gerade heutzutage auch realpolitisch verwertbare Erfahrung, daß Verbindung nicht unbedingt zur Einheit führen muß: Es finden keine Verwischungen statt, eher komplexe Systematisierungen – man möchte den Strukturalismus von Claude Levi-Strauss zur Beschäftigung mit Bretschneiders Arbeiten heranziehen.

Manches erinnert an Art brut, und wenn Bretschneider einer Teufelsgestalt Hörner aus Schweinsknochen und einen Kopfschmuck aus Staubwedeln aufsetzt, einen – natürlich – in Schwarz gemalten Tod mit Gärtnersicheln bestückt, dann spielt hier auch das Wissen um frühere volkskundliche Darstellungen des Sensenmannes eine Rolle oder die Erinnerung daran, wie wir uns als Kinder den “lieben…


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