Goshka Macuga
Geschichte erneuern. Das Archiv als Sammlung
Ein Gespräch mit Heinz Schütz
Die in Polen geborene und heute in London lebende Künstlerin Goshka Macuga wurde 2008 für den Turner Preis nominiert, 2009 zeigte die Kunsthalle Basel „I Am Become Death“, zur Neueröffnung der Whitechapel Gallery präsentierte sie die partizipatorische Installation „The Nature of the Beast“. Sie versteht sich selbst als Künstlerin, die ihre Tätigkeit erweitern möchte „zur Kuratorin, Historikerin, Geschichtenerzählerin, Kritikerin, Archivistin, Ausstellungsdesignerin, Architektin, Komponistin, Galeristin, Soziologin, Biologin, Filmemacherin, Sammlerin, Fotografin, Darstellerin, Magikerin und mehr.“
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Heinz Schütz: Die Kunst des 20. Jahrhunderts, insbesondere der Avantgardismus, ist auf die Zukunft hin orientiert. Sie setzen sich in Ihren Arbeiten immer wieder mit Vergangenem, mit Geschichte auseinander. Eine Arbeit, die Sie vor einigen Jahren für die Mathildenhöhe in Darmstadt ausgeführt haben, trägt den Titel: “Die Vergangenheit ist ein fremdes Land“. Was bedeutet Geschichte für Sie?
Goshka Macuga: Geschichte betrachte ich als etwas, das in ständiger Bewegung ist. Meine Vorstellung von Geschichte und mein spezifischer Umgang mit ihr sind zweifellos durch meine Erziehung in Polen geprägt. Was wir dort in der Schule gelernt haben, war nicht notwendigerweise die Geschichte, die tatsächlich stattfand. Später stellte sich immer mehr heraus, dass das, was uns beigebracht wurde, nicht den wirklichen Ereignissen entsprach. Sobald man weiß, dass Geschichte immer interpretiert wird, kann man den Geschichtserzählungen nicht mehr naiv vertrauen. Sie geben nicht einfach eine objektive Wahrheit wieder, sondern es spielen immer auch subjektive Faktoren eine bedeutende Rolle. So könnte man sagen, es ist die Suche nach Wahrheit, die meine…