James Leo Cahill
Grafomanie und Zoophilie:
Zwei Punkte auf Sergei M. Eisensteins Linie1
Sergei Michailowitsch Eisenstein (1898–1948) erlangte als Filmemacher und Filmtheoretiker der Sowjet-Ära Berühmtheit. Gefeiert wurde er für seine einfallsreichen Montagetechniken und vor allem den Gebrauch von starken Gegenüberstellungen und visuellen Schockeffekten, die den Betrachter mit „Attraktionen” bombardieren, welche er als „Reihe von genau kalkulierten Druckpunkten auf dessen Psyche” definierte.2 Eisenstein schwebte vor, mit seiner Montage von filmischen Attraktionen im Bewusstsein des Zuschauers einen „durchschlagenden Schock“ auszulösen. Diese Vision demonstrierte er zum ersten Mal in seinem Debütfilm Strike (1924). Darin zeigt er die Parallelen zwischen Tier und Mensch auf, indem er zwischen Szenen von der Schlachtung von Bullen und der gewalttätigen Niederschlagung eines Proletarierprotests hin und her schneidet.3 Eisensteins produktivster Schauplatz künstlerischen Schaffens waren jedoch weder die Filmleinwand noch das gedruckte Wort, sondern Tausende von schlichten Zetteln, auf die er seine Zeichnungen kritzelte: Hotelbriefpapier, die Rückseite von Drucksachen – was immer zur Hand war, wenn ihn wieder das Bedürfnis überkam, wie das so häufig der Fall war. Über 5000 Zeichnungen haben sich in Eisensteins Archiv erhalten. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich nur um einen kleinen Teil der unzähligen Zeichnungen, die er sein Leben lang fast ohne Unterlass anfertigte. Eisenstein hatte die Angewohnheit, sich von seinen Zeichnungen zu trennen, kurz nachdem sie fertig waren, sie zu verschenken, oder wegzuwerfen.4 Die „explizitesten“, „schamlos offenen“ und „obszönen“ Zeichnungen (von denen er viele machte) vernichtete Eisenstein auf der Stelle, indem er sie „in winzige Stücke riss“.5
Es muss also mehr als nur eine Spur Ironie mitschwingen,…