JÜRGEN RAAP
Essensobjekte und Geschmacksbildung
Jahrhundertelang wurden Farbstoffe für Textilien und zum Malen aus Pflanzen hergestellt, von denen viele auch essbar sind, oder die -wie z.B. der aus einer Krokusart gewonnene Safran – ebenso als Färbe- und Würzmittel in der Küche Verwendung finden. Erst seit etwa 1880 haben sich in den Malerateliers industriell hergestellte Farben und Bindemittel durchgesetzt. Doch noch die Generation der Informellen war um 1950 darin geübt, Leim aus ausgekochten Knochen und Eitempera selbst herzustellen. Mit dem Aktionismus und der Objektkunst nach 1960 bekommt die Verwendung von Lebensmitteln über diese traditionellen handwerklich-stofflichen Aspekte hinaus eine künstlerisch-ästhetische Bedeutung. Joseph Beuys etwa demonstrierte seinen “erweiterten Kunstbegriff” an Fett und Honig. Auch bei anderen Künstlern sind Blut oder Schokolade nicht lediglich malerisches und plastisches Mittel, sondern an die Thematisierung bestimmter Inhalte gebunden. Neben seiner konkreten bildlichen Aussage transportiert das Werk oder die Aktion dann auf einer Meta-Ebene gleichzeitig die vertrauten mythologischen Überlieferungen, die z.B. an den Umgang mit Brot und Wein gekoppelt sind.
Die Künstlerin Ute Bartel sieht die Zubereitung von Essen und die anschließende Inszenierung auf dem gedeckten Tisch als einen “skulpturalen Vorgang” an, bei dem Formen und Farben analog zur bildenden Kunst miteinander kombiniert werden: “Die Konkretisierung dieser Form, das zubereitete Essen, ist oft von kurzer Dauer, es verschwindet relativ schnell im menschlichen Körper und ist hier einem neuen Transformations- und Skulpturbildungsprozess ausgesetzt, auf den man kaum noch Einfluss hat… Mein Interesse ist es nun, diesen kurzen Moment der ,Skulpturbildung’ in bezug zu dem jeweiligen Menschen festzuhalten…”1
1999 hatte sie sieben Wochen…