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55. Biennale Venedig - Vorschau · von Susanne Boecker · S. 396 - 399
55. Biennale Venedig - Vorschau , 2013

Il Palazzo Enciclopedico

Eine Schau über Obsessionen und über die transformative Kraft der Imagination
von Susanne Boecker

„Il Palazzo Enciclopedico“ hat Massimiliano Gioni die internationale Kunstausstellung der 55. Biennale Venedig überschrieben. Mit diesem Titel bezieht sich der Kurator auf ein Projekt des italo-amerikanischen Künstlers Marino Auriti (1891-1980). Mitte der 50er-Jahre hatte der Autodidakt beim US Patent Office den Entwurf zu einem „Enzyclopedic Palace“ eingereicht, einem imaginären Museum, in dem alles weltliche Wissen sowie die größten Entdeckungen der Menschheit zusammengeführt werden sollten: vom Rad bis zur Glühbirne, von der Schrift bis zum Elektromotor, vom Wein bis zum Antibiotikum. Auch wenn der Exzentriker ein architektonisches Modell entwarf (es sollte 700 Meter hoch sein und 136 Stockwerke haben), wurde sein Projekt (natürlich) nie realisiert. Dabei war Auritis Idee weder neu noch einzigartig: zahlreiche Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler und Propheten hatten vor ihm schon Ähnliches visioniert.

Massimiliano Gioni will in Venedig mit den Werken von über 150 Künstlern aus 37 Ländern eine Art temporäres Museum schaffen, das untersucht, wie Bilder benutzt wurden, um Wissen zu organisieren und unsere Erfahrung von der Welt zu formen. Dabei sollen Werke von professionellen Künstlern neben solchen von Amateuren stehen, Outsider neben Insidern präsentiert werden, zeitgenössische Kunstwerke neben historischen Artefakten und Fundobjekten. Eröffnet wird die Ausstellung mit der Präsentation von Carl Gustav Jungs „Rotem Buch“, einem illustrierten Manuskript, an dem der Psychologe sechzehn Jahre lang gearbeitet hat. In dem nie zur Veröffentlichung bestimmten Werk hielt Jung seine Träume, Visionen und Fantasien fest.

Von diesem Ausgangspunkt aus will Gioni die Ausstellung in den…


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