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Titel: 60. Venedig Biennale - Analyse · von Max Glauner · S. 82 - 87
Titel: 60. Venedig Biennale - Analyse ,

Immersion – Partizipation – Performanz Raum – Teilhabe – Theater

Zeitbasierte Raumkonstruktionen auf der 60. Venedig Biennale.
von Max Glauner

Die Kunst beginnt aus europäischer Sicht in Padua. Mit einem Paukenschlag zwischen 1302 und 1306. Der Maler, Architekt und Fertiger von Mosaiken Giotto di Bondone gestaltet für den ungeheuer reichen Bankier Enrico Scrovegni die sogenannte Scrovegni- oder Arena-Kapelle. Ein Wunderwerk, das schon alles zeigt, woran sich Generationen von Künstlerinnen und Künstlern später abarbeiten sollten – bis heute. Die These, die, nach Alfred Noth Whiteheads Diktum, die Geschichte der Philosophie sei als eine Reihe Fußnoten zu Platon zu verstehen, auf die Malerei und die europäische Kunst gemünzt, impliziert, dass jedes künstlerische Mühen Giottos Setzungen nicht überbieten, sondern, wie eine Anmerkung dazu, bloß erweitern kann.

Ein aufmerksamer Gang durch die 60. Venedig Biennale bestätigt sie. Scrovegnis Schatzkästlein wäre im 19. Jahrhundert mit seinem Palast um ein Haar abgerissen worden. Der Eintritt in den freistehenden, von außen unspektakulären Ziegelbau ist heute streng reglementiert. Der Gegensatz zum Inneren könnte kaum größer sein. Giotto entfaltet in Duzenden Einzelbildern über vier Register und ein abschließendes Tonnengewölbe ein Feuerwerk der Darstellungskunst al fresco. Das Leben Jesu und Mariens, Verkündigung und Weltgericht werden dem Betrachter plastisch vor Augen geführt. Der Maler weiß jedes Material, die Marmorverkleidung der Kapelle, die Gewänder der Protagonisten, den täuschend echten Stein der allegorischen Figuren der Kardinaltugenden und Todsünden nachzuahmen. Eine Sensation, die jede gotische Glasmalerei und byzantinische Mosaikenkunst an Einfallsreichtum und Ausdruckskraft überbot. Zweihundert Jahre später wird Michelangelo mit der Sixtina in Rom den ersten Anlauf…

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