Titel: Kunst und Humor · von Jan Hoet
Titel: Kunst und Humor , 1993

Das klingt vielleicht hoffnungsvoll, in der Kunst aber bedeutet Durchschauen nicht unbedingt Klarheit. Es ist vielmehr so, daß die belgische Kunst, wie Kunst generell, ihre Absicht nicht so einfach offenlegt. Vieldeutig und der Analyse unzugänglich, wie sie ist, führt sie den Betrachter zudem in eine offene, unsichere Sphäre zwischen Begriffen wie Oberflächlichkeit und Ernst, Offenheit und verborgenem Sinn, Technik und Poesie, Feingefühl und Grobheit.

Das Ziel ihres Durchschauens ist irgendwo dazwischen angesiedelt.

Man kann es folgendermaßen ausdrücken: Diese Fähigkeit der belgischen Kunst (und Künstler), etwas zu durchschauen, läßt sich definieren als eine schon fast geographisch bedingte angeborene Wahrnehmungsfähigkeit für das, was auf der Welt geschieht, und als ein schon fast genetisch bedingter Sinn für Ironie als Waffe des eigenen erwachenden Bewußtseins.

Wie dem auch sei, die belgische Kunst widersetzt sich einer engstirnigen Denkweise, der zufolge es einen gemeinsamen Nenner geben sollte, welcher jeden Widerspruch ausschließt. Vage angesiedelt zwischen Heiterkeit und Ernsthaftigkeit, sträubt sich diese Kunst gegen lineares Denken und bekennt ihre Liebe zur Komplexität des Seins. In dieser Liebe sind Glaube und Ironie miteinander vereint. Aus eben diesem Grunde weiß sie sowohl um ihre unerschöpfliche Vitalität als auch um ihre persönliche Tragödie.

Ich liebe diese Kunst.

Vielleicht, weil ich Belgier bin mit eben jener geographisch bedingten angeborenen Wahrnehmungsfähigkeit und dem genetisch bedingten Sinn für Ironie.

Um eine genauere Vorstellung davon zu vermitteln, was uns angeboren ist, muß ich erläutern, daß Belgien ein Bindeglied ist zwischen Nordsee und Europa, ein kleines Land, in dem das Wort “belgisch” nicht eine Sprache, sondern eine Mentalität bezeichnet – und Belgier…

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