Jean-Christophe Ammann:
»Ich stecke gewiß in keiner autistisch-regressiven Phase purer Selbstbespiegelung«
Heinz-Norbert Jocks sprach mit dem Leiter des Museums für Moderne Kunst Frankfurt, dem Diesjährigen Kommissar des Deutschen Pavillons auf der Biennnale Venedig
Jean-Christophe Ammann, vielerfahrener Spezialist für Zeitgeistigkeit, der die Jetzt-Stimmung melancholisch wie euphorisch begleitet, erwies sich seit Amtsantritt in Frankfurt als der Typus eines eigenwilligen Museumsdirektors, den Einsichten in historische Abläufe und das Lob des Zusammenhangs kaum befriedigen. 1939 in Bern geboren, liebt er es, Klassiker ins zeitgenössische Panorama einzuschleusen. Auf wechselnde Relationen kommt es ihm dabei an. Drum legt er es darauf an, das Museum für Moderne Kunst, für dessen Leitung er seit 1988 verantwortlich ist, so nah wie nur möglich an der Produktion zu halten, und drum definiert er das Museum als Ort, wo sich die Gegenwart zeigt, in der zu denken ist. Sein unorthodoxes Weltbild auf der Ebene von Kunst jenseits aller Chronologie setzt weniger auf Malerei. Ja, sein ästhetischer Geschmack, mehr auf einzelne Künstler denn auf Richtungen konzentriert, umfaßt stärker das Spektrum zwischen Künstler-Fotografie, Objektkunst, Konzeptualismus und räumlichen Arrangements. Zu den Favoriten, die er bisher erwarb und für die er sich engagierte, gehören Gerhard Richter, Claes Oldenburg, Beuys, Warhol, Boltanski, Stella, Twombly, Turrell, Bruce Nauman, Mario Merz, das Ehepaar Becher, Jeff Wall, Clemente, Thomas Bayrle, Lothar Baumgarten, Ruthenbeck, Walter de Maria, On Kawara, Ruff, Fritsch oder Honert. Daran zeigt sich, wie sehr Ammann darauf pocht, daß die Sammlung flexibel bleibt, und wie wichtig es ihm ist, danach Ausschau zu halten, was an Konzepten aus der Zukunft…