Joanna Piotrowska
Tanz mit der Kamera
Ein Gespräch von Michael Stoeber
Joanna Piotrowska, 1985 in Warschau geboren, heute in London lebend und arbeitend, hat mit ihrem fotografischen Werk auf der diesjährigen Biennale von Venedig international auf sich aufmerksam gemacht. Cecilia Alemani, die Leiterin der Weltkunstausstellung, hatte die Künstlerin eingeladen, an der von ihr kuratierten Hauptausstellung teilzunehmen. Da sich Alemani in ihr auf die großen Vertreterinnen des Surrealismus konzentrierte, stellt sich die Frage, ob nicht auch die Bilder Piotrowskas dieser Kunstrichtung nahestehen. Im ersten Augenblick scheint das nicht der Fall zu sein, fotografiert die Künstlerin doch ausschließlich in Schwarzweiß, den Farben des dokumentierenden Geistes („Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“, Mephisto zum Schüler in Goethes „Faust“.).
Bei näherer Betrachtung schon. Denn Piotrowskas Aufnahmen sind nicht gefunden, sondern bis ins Detail inszeniert. Die Protagonistinnen ihrer Bilder – meist sind es Frauen – folgen, bei dem, was sie tun, präzise den Anweisungen der Künstlerin. Und was wir dann zu sehen bekommen, wirkt oft verwirrend und rätselhaft, im besten Fall ambivalent. Wenn Piotrowskas Kamera indiskret unter den Rock einer jungen Frau gleitet, wehren deren verschränkte Hände offenbar jede Zudringlichkeit ab, während ihr schwarzer, am Knie leicht verschlissener Strumpf, entgegen gesetzt dazu, lockende erotische Signale aussendet. Und wenn hinter ihren Händen ein Arm den Unterleib der Frau umfasst, bleibt offen, ob das mit oder ohne ihre Zustimmung geschieht. Mit der Handlungsvollmacht ihres Personals scheint es oft jedenfalls nicht zum Besten zu stehen. Das erinnert an den berühmten Satz von…