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Titel: Insel Austria · von Goschka Gawlik · S. 234 - 234
Titel: Insel Austria , 1987

Johanna Kandl

geb. 1954 in Wien, lebt in Ladendorf und Wien

Hypnose der Fehldeutungen

Wenn, überspitzt gesagt, die Kunst davon profitiert, mißverstanden zu werden, und das Erhalten werden eines Kunstwerkes davon abhängt, daß die Obrigkeit sich durch dieses legitimiert, dann hat Johanna Kandis Entscheidung angesichts dieses gegenseitigen Mißbrauches die Indifferenz- und Identitätsthematik in der Kunst aufzugreifen, ausgesprochen modellhaften Charakter.

Sie übernimmt bewußt wieder einmal die alten traditionsbeladenen, ästhetischen Modelle, die der Suggestion einer eigenen Weltkarte als Basisstrukturen dienen, um dann durch langsame Abweichung von ihrer ursprünglichen Souveränität unversehens zu einem auf alles und nichts verweisenden Vexierbild werden. Ihre einzelnen sowie drei- oder sechsteiligen Bilderserien zeigen einfache künstlerisch unattraktive Gefäße und primitive Behausungen, die gleichzeitig erotische Inkarnationen vermitteln. Sie heben sich aus einer absoluten, zu Licht verklärten monochromen Farbräumlichkeit hypnotisch heraus. Die Trivialität des Alltäglichen erscheint abrupt in krassem Widerspruch zu den köstlichen Ornament-Einfassungen, die an Bildrahmen und damit an den Ernst der Porträt- oder historischen Malerei erinnern.

Das reizvolle, sinnliche Ornament vereinnahmt sie alle; exotische und verfeinerte Ästhetik, großmaulige Ideologie und triviale Faktizität verschmelzen zu seiner irrelevanten Immanenz. Auch in ihrem bis jetzt umfassendsten Zyklus »Eine Geschichte über Dinge« (1984-86) in Form einer Buch-Mappe bediente sich die Künstlerin bereits vorhandener Modelle, die sie groteskbanal überzeichnet. Für die malerischen Verwandlungsmöglichkeiten des Bildes in ein dekorativ-verschlüsseltes Ornament, und des Textes in eine vieldeutige Schrift, liefern die mittelalterlichen Buchillustrationen und das kriminelle Rätseldrama von U. Eco den üppigen Konnex. Die ästhetisch genußreiche und sich im dialektischen Umkehrungsschluß der Schönheit bis zum Obszönen steigernde Lektüre läßt Risse und Falten…

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