Amine Haase
Kasimir Malewitsch
“Die erste Retrospektive seines Werks”
Stedelijk Museum, 5.3.-28.5.1989
Die Malewitsch-Ausstellung mit über zweihundert Katalognummern, die nach Leningrad und Moskau zum Tournee-Abschluß Amsterdam als Schauplatz hatte, wurde als “die erste Retrospektive seines Werkes” angekündigt. Tatsächlich waren nie zuvor so viele Arbeiten aus allen Schaffenszeiten zusammen ausgestellt. Und für die Sowjetbürger waren die Bilder, die Malewitsch als einen der wichtigsten Kunst-Revolutionäre ausweisen – das heißt seine überwiegend vom Amsterdamer Stedelijk Museum erworbenen “suprematistischen” Bilder – seit über einem halben Jahrhundert unsichtbar. Im Westen allerdings konnte man sich spätestens seit 1978, anläßlich der Ausstellungen zum hundertsten Geburtstag von Kasimir Malewitsch (1878-1935) über Entwicklungen und Schwankungen in seinem Gesamtwerk informieren. Rätselhaft erschien damals die Wendung Malewitschs zu einer an Figuren und Gegenständen orientierten Malerei, datiert auf die Zeit rund fünfzehn Jahre nach der Reduktion der Form auf ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund, des bis dahin radikalsten Ausdrucks für die Vorherrschaft (Suprematie) der reinen Empfindung als Malerei und gleichzeitig Demonstration des Bildes als purem Objekt. Die Tradition der Ikone schien sich schon 1913 ins 21. Jahrhundert einzuschreiben.
Aus welcher künstlerischen – oder politischen – Überlegung heraus, Ende der zwanziger Jahre dann wieder Figuren im Werk Malewitschs auftauchen, ist auch bislang nicht geklärt – genausowenig wie die exakte Datierung. Malewitsch selbst scheint alles getan zu haben, um die Spuren zu verwischen. Und das, was von seinen theoretischen Schriften vorliegt, ist längst noch nicht vollständig interpretiert. Tatsächlich aber ist Malewitschs Malerei wohl kaum ohne seine Worte zu “verstehen”. Und da es sich um eine wenig vibrierende,…