Annelie Pohlen
Katharina Sieverding
»mal d’archive«
Kunstsammlung NRW K21, Düsseldorf, 10.5. – 21.9.14
Eigentlich ist die Sache ziemlich unspektakulär. Da besinnt sich ein Museum, ein selten gezeigtes Werk aus seiner Sammlung einmal wieder an die Öffentlichkeit zu bringen. Dass ebendiese draußen von der Gier nach dem Neuesten getrieben ist, während sie drinnen nach der Aureole historischer Meisterschaft sucht, nun von Katharina Sieverding derart schonungslos mit ihrem eigenen Selbstbild konfrontiert wird, ist dann doch einigermaßen spektakulär.
Es ist die verblüffende Erfahrung von Gegenwart in der überfälligen (Wieder-)Begegnung mit einem Werk, dessen Entstehungszeit nahezu ein halbes Jahrhundert zurückliegt. Der Titel der Ausstellung ist der 1995 publizierten Schrift „mal d’archive“ des französischen Philosophen Jacques Derrida entlehnt – und, wie nicht wenige Interpreten immer wieder zur Kenntnis bringen, ins Deutsche kaum zu übersetzen. Der angelsächsischen Öffentlichkeit liegt das Werk als „Archive Fever“ vor. Das ließe sich zwar problemlos ins Deutsche übertragen, würde aber das, was Katharina Sieverding an Derridas ebenso vieldeutiger wie unabschließbarer Auseinandersetzung mit Aufbewahrungsorten zwischen Sammelwut, Ordnungswahn und Verdrängung interessiert, schwerlich treffen.
Jüngeren Zeitgenossen dürften Titel wie Werkstoff der eigens für diese Ausstellung geschaffenen Arbeit einigermaßen fremd sein. In ihrer materiellen Beschaffenheit ist „ORWO“, 2014, eine im bislang bekannten Werk untypische Raumbesetzung, schnell erfasst: Stapel flacher Kartons aus vordigitalen Zeiten, die allenfalls nostalgische Verfechter der analogen Fotografie und deren Chronisten mit Wehmut betrachten. In Sieverdings Auseinandersetzung mit der Fotografie, die inhaltlich wie formal zu den eigenwilligsten Positionen in der aktuellen Kunst zählt, schlagen diese Kisten nun eine ebenso irritierende wie kunstimmanent konsequente Brücke von ihrem anhaltenden…