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Magazin · von Ingo Arend · S. 452 - 453
Magazin , 2002

INGO AREND
Lebendiges Phantasma

Die Rückkehr des Autors – Im Prozess um Osama bin Laden geht es um die Zukunft der Postmoderne

Der Tod des Autors. So lautete das Urteil der Postmoderne über ein markantes Subjekt. Die Verhältnisse, hieß es nicht nur bei Roland Barthes, schreiben sich selbst. Der Autor ist weniger der Schöpfer als das Medium der Verhältnisse. Das New Yorker Terrorattentat vom 11. September schien ein Paradebeispiel aus dem Lehrbuch der cultural studies. Nirgends lauerte ein Täter. Es gab nur leere Subjekte, bewegt von einer ungreifbaren Macht namens Hass auf den Westen. Der schrieb sich wie von Geisterhand in dessen verhasste Symbole. Das Unlesbare dieses todbringenden Netzwerks war auf der Gegenseite schwer auszuhalten. Also musste auch hier etwas konstruiert werden. Etwas, das wie ein klassischer Täter aussah. Und weltumspannend füllte plötzlich der Kopf eines saudischen Islamisten die leeren Projektionsflächen der “freien Welt”. Doch zwei inzwischen etwas in Vergessenheit geratene Videos scheinen Osama bin Ladens Schuld zu beweisen. Auch wenn er keine besonders glaubwürdige Quelle ist: weitere hat der pakistanische Geheimdienst angekündigt. Und plötzlich scheint der Autor zurückgekehrt in die Realität, die bekennende Postmodernisten lange gern in Anführungszeichen gesetzt hatten. Der Kosovo-Krieg war noch das postmoderne Nicht-Ereignis. Nun spricht Jean Baudrillard vom »absoluten Ereignis«. Man muss die erhabene Vokabel aus seinem jüngsten Essay Der Geist des Terrorismus nicht übernehmen. Aber wenn angesichts der New Yorker Terroranschläge da, wo vorher die “Agonie des Realen” die beliebteste Diskursfloskel war, Intellektuelle wie die amerikanische Kunstkritikerin Susan Sontag davon sprechen, den 11. September als Tag…


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