Bonn
Maria Lassnig
Wach bleiben
Kunstmuseum Bonn 10.02.–08.05.2022
von Annelie Pohlen
Wer ist dieses Selbst, das sich über mehr als ein halbes Jahrhundert immer und immer wieder ins Bild gesetzt hat? Oder anders gefragt, welchem Ich sehen sich die ausgesetzt, die im Ausstellungsraum auf mehr als vierzig Leinwände schauen und gewollt oder nicht ins Blickfeld von Figuren geraten, die eines ganz sicher nicht sind: Mit sich selbst im Reinen. Und auch nicht mit der Wirklichkeit, in der jederzeit nicht nur ihr Selbst in Frage steht. „Ich oder Du“. Ist das, was der Titel in den institutionellen Raum der Kunst wie über Schaukästen und Plakatwände in den öffentlichen Raum schleudert, eine Frage oder eine Aufforderung?
Mit gespreizten Beinen, aufgerissenen blauen Augen, grell rotem offenem Mund posiert eine nackte Frau umrandet von schnell hingeschleudertem grellem Grün in der leeren Leinwand. In der Art schießwütiger Cowboys aus der Filmwelt richtet sie die Waffe auf ein Gegenüber und – eine zweite auf sich selbst, genauer auf ihr Hirn. Gemalt hat es Maria Lassnig 2005. Da blickte die 86-jährige Künstlerin schon auf mehr als ein halbes Jahrhundert gnadenloser künstlerischer Konfrontation mit dem Ich im Spiegel ihres Gegenübers. „Wach bleiben“ als Worte mit dem Pinsel in eine der hier vorgestellten 40 Arbeiten hineingeschrieben zu finden, es würde nicht wundern. So wie „Auge in Gefahr“ 1993 auf der Brust, die wie ein mit Zacken versehenes Sägeblatt ins Leere ausläuft, während das noch wache Auge vom Gebiss eines Alptraum-Wesens in die Zange genommen wird.
Und irgendwo auf der Strecke dieses 1945 mit dem…