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Titel: Sinnpause · von Michael Hübl · S. 96 - 101
Titel: Sinnpause , 1985

In – Stand – Setzen
Michael Witlatschil

»Stand« nennt Michael Witlatschil seine Arbeiten, die seit 1979 entstehen: Stäbe aus Stahl, unten zugespitzt, die er unter größter Konzentration ausponderiert, in ein labiles Gleichgewicht bringt. Sind sie einmal aufgestellt, halten sie die Senkrechte, obschon abknickende Partien oder auskragende »Queräste« die Schwerpunktverhältnisse im Objekt mitunter komplizieren.

Nicht um Erprobung von Naturgesetzen geht es, sondern um menschliche Befindlichkeiten. Objekt-Wirkung und personale Energie – ob aktiv oder passiv – stehen in wechselweiser Beziehung zueinander. Stand ist jeweils auch die Darstellung eines Zustandes: Noch wenn die Aktion des Installieren längst vorbei ist, bleibt der Eindruck, daß die Standfestigkeit der Stahlstäbe gleichsam geliehen ist, erinnern die schlanken »Stelen« an den Vorgang des Aufrichtens, scheint es als schwinge die Spannung nach, die den Aufbau notwendig bestimmt, da er mehr ist als ein simpler technischer Vorgang. Das Aufstellen ist abhängig von der Einstellung des Agierenden; sein Ernst und seine Nonchalance, seine Nervosität und seine Gelassenheit schlagen sich unmittelbar nieder in den Reaktionen des Objekts, das, weil es eine ganz bestimmte, konzentrierte Behandlung fordert, wie ein Seismograph wirkt, der »ausschlägt«, sprich: umzufallen droht, wenn die Befindlichkeit des Akteurs nicht den Bedingungen entspricht, die das zu stellende Stück durch seine Eigenheit stellt.

So ist denn der Vorgang des Installierens ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit Witlatschils. Der Aufwand an Empathie für das Objekt wird immer mitrepräsentiert, auch wenn es an den Objekten selbst keine manifesten Hinweise auf die Stell-Handlung mehr gibt. Immer sind Vorgänge menschlicher Aktion und Interaktion mitgemeint. Begriffe wie »auftreten«, »nachgeben«, »wägen« oder…


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