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Titel: Kunst der Fiktion der Kunst · von Stefan Heidenreich · S. 82 - 87
Titel: Kunst der Fiktion der Kunst , 2010

Stefan Heidenreich
N.N., o.T.

Das Gesetz des Eigennamens in der Welt der Kunst

N.N., Nomen nominandum. Name zu nennen. Das Kürzel hält einen Platz leer. Noch ist der Name nicht bekannt, der dort eingetragen wird. Auf Dauer aber kann die Stelle nicht leer bleiben. Findet sich niemand, der sie füllt, so wird sie gestrichen. Die Lösung des Odysseus, einen Niemand vorzutäuschen, um als leere Stelle der Höhle des Polyphem zu entkommen, sieht die Abkürzung N.N. nicht vor. Der Name regiert über die Stelle. Denn ohne ihn kann sie nicht bestehen.

o.T., ohne Titel. Auch hier bleibt eine Stelle leer. Es gibt keinen Titel. Aber im Gegensatz zum vorherigen Fall muß sie nicht gestrichen werden. Sie bleibt bestehen, auch wenn kein Name sie füllt. Sie besteht unabhängig von der Nennung des Namens.

Die zwei Platzhalter stehen daher zu den Gegenständen, auf die sie sich beziehen, in einem gegensätzlichen Verhältnis. Mal regiert die Stelle, mal regiert der Name. Im Fall o.T. hindert der fehlende Name sein Objekt, das Kunstwerk, nicht daran zu existieren. Es gibt das Werk, auch wenn es keinen Namen besitzt. Anders dagegen bei dem Kürzel N.N.. Namenlose Subjekte gibt es nicht, schon gar nicht unter Autoren und Künstlern. Am nächsten kommt dem Namenlosen der ‘Anonymus’ sowie eine andere Leseweise des Kürzels N.N. als ‘nomen nescio’ ,”den Namen weiß ich (noch) nicht”. Letzteres ist die schwächere Form des ‘Nomen nominandum’, die ebenfalls davon ausgeht, daß es den Namen gibt. Genauso wie der ‘Anonymus’, der einen Namen besitzt, ihn nur nicht nennen will.

Man denke sich…


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von Stefan Heidenreich

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