Annelie Pohlen
Olaf Nicolai
»Faites le travail qu’ accomplit le soleil«
Kestnergesellschaft, Hannover, 10.6. – 22.8.2010
Olaf Nicolai zählt zu jenen Künstlern in der Tradition der Konzeptkunst, die sich mit ungebrochener Leidenschaft im theoretischen Diskurs bewegen. Man kann darüber spekulieren, ob es ihm seiner Herkunft aus der Geisteswissenschaft wegen besser gelingt, die Klippen modischer Allgemeinplätze zu umschiffen. In der Kestnergesellschaft stellt wohl vor allem der bildende Künstler seine herausragende Kompetenz bei der Übertragung theoretischer Ansätze in emotional-sinnliche Erfahrung unter Beweis. Deren poetischer Subtext erfasst auch den Besucher, der sich ohne jede Kenntnis der impliziten theoretischen Bausteine durch seine raumgreifenden Installationen bewegt. “Faites le travail qu’accomplit le soleil “, der Ausstellungstitel ist Lyotards “Libidinöse Ökonomie” entlehnt oder genauer einem Satz, in dem das Zusammenwirken von Sonne und Gras zum Modellfall menschlichen Verhaltens deklariert ist: “Ihr müsst die Arbeit tun, die die Sonne oder das Gras leisten, wenn Euer Körper in ihnen badet.”
Aufgefordert – wie nahezu immer in Nicolais Installationen – die Titel gebende verspiegelte ‘Landschaft’ zu begehen, erfährt der Körper nolens volens, dass dem Leitmotiv das Gras abhandengekommen ist. Natürlich ist das, was Nicolai hier wie andernorts in körperlich erfahrbare Räume ‘übersetzt’, jedem Besucher in der einen oder anderen Variante aus dem Alltag geläufig. Was einst absoluten Herrschern zum Genuss verhalf, zählt längst zum unerlässlichen Repertoire für’ s gemeine Volk auf jeder Großkirmes. Wer hätte sich denn nicht ? ob Kind oder Erwachsener ? den Spiegelkabinetten ausgesetzt, um sich mehr oder minder selbstbewusst mit seinem geblähten, gestreckten oder…