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Titel: Zur Lage der Kunstkritik · von Margit Weinberg Staber · S. 130 - 141
Titel: Zur Lage der Kunstkritik , 2013

Margit Weinberg Staber
Once upon a Time … oder: Die erinnerte Kunstvermittlung

Es ist noch nicht solange her, da war ich an der Biennale in Venedig. Durch knirschenden Kies und in brütender Sonne gelangte ich schließlich zum Deutschen Pavillon. Ein Requiem auf Christoph Schlingensief (1960–2010) evozierte elegische Verlustgefühle, von Wagnertönen umwölkt. Der genialische, kreative Macher, der sich selbst verzehrte: pathetisch verdunkelte Kirchenstimmung aus vielerlei Zutaten gemischt, als Memento Mori (Abb. 1). Mir kam Joseph Beuys (1921–1986) in den Sinn, der 1976 am gleichen Ort die denkmalähnliche, aus eisenschweren Stücken geformte „Straßenbahnhaltestelle“ eingerichtet hatte. Bei der Pressevorschau stand der Meister selbst mit dem stereotypen Hut auf dem Kopf inmitten seiner von karger Magie geprägten Schöpfung.

Über 35 Jahre sind seither vergangen. Die Inszenierung über Schlingensief 2011 hüllte die Betrachter in ein gemeinsames Seelenbad gemixt aus blendenden, simultanen Reizen. Beuys‘ Installation, bestehend aus einer zerklüfteten Säule mit Kopf oben drauf, umgeben von Eisenstümpfen und einem Trümmerhaufen, stand entblößt und ungeschönt da im nichts verbergenden Tageslicht. Er hatte ein metaphorisch getränktes Raumobjekt mit dem Untertitel „A Monument to the Future“ geschaffen (Abb. 2). Für ihn waren es Requisiten seines Aktionismus. Heute empfinden wir ein solches evokativ starkes Ensemble als Endstation der in die Klassik aufgerückten Moderne. Beide Künstler waren begnadete Selbstdarsteller und propagierten jeder auf seine besondere Art und Weise einen im jeweiligen Zeitkontext „erweiterten Kunstbegriff“ – um ein Schlüsselwort von Beuys zu verwenden. Die Interpreten von Schlingensief präsentierten zu Ehren ihres Kunstheroen ein rasantes Multimediaspektakel. Es hätte besser in den virtuellen Raum des Internets…


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von Margit Weinberg Staber

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