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Monografie · von Dieter Buchhart · S. 218 - 233
Monografie , 2002

DIETER BUCHHART
ÖYVIND FAHLSTRÖM

DAS SPIEL MIT DEM UNVOLLENDETEN

Ein Filzstift gleitet fast widerstandslos über die Oberfläche eines Papiers. Schwarze Linien können Buchstaben bilden, die wiederum aneinander gereiht Worte. Es sind Zeichen, die beliebig kombiniert werden könnten, doch nur wenn sie bestimmten Sprachregeln folgen, Sinn ergeben. Stoppt der Fluss der Linie, ist das Wort beendet und wird selbst zum eigenständigen grafischen Zeichen, das erst in der wiederum potentiell beliebigen Kombination mit anderen Worten Sinn, eine Phrase, einen Satz ergibt. Die Linie, die den Regeln der Schrift folgt, ist die gezähmte, einer Ordnung folgende, der Maxime des Sinnzusammenhangs untergeordnete. Sie wird einer bestimmten Form angenähert, die eine allgemeine Lesbarkeit bedeutet und eine breite Kommunikationsbasis schafft. Die Linie an sich bleibt grafisch, beliebig variierbar. Die Schwärze des Filzstiftes ist, so er dahingleitet, gleichmäßig und ermöglicht eine weitgehend präzise Linienführung. Der Schriftfluss erzeugt nicht nur während der Handlung des Schreibens einen Rhythmus, sondern auch im Schriftbild. Die implizite Wiederholung von Buchstaben und Buchstabenkombinationen ist rhythmisch, oft ornamental.

Die Form der Linie, der Schrift, von Wörtern oder eines Textes wird meist von der Ebene des Inhalts überblendet. In seinem “Manifest für Konkrete Poesie” verweist Öyvind Fahlström 1953 auf diese Relation von Inhalt und Form: “Heute tendiert das einheitsstiftende Element dazu, der Inhalt zu sein, sowohl das Beschriebene als auch sein Ideengehalt. Aber am besten ist es, wenn Form und Inhalt wie eine Einheit wirken.”1 Dabei fordert er nicht nur Form und Inhalt zu einer Einheit zu verbinden, sondern definiert Sprache als Material mit einem Reichtum an Experimentiermöglichkeiten:…


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