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Titel: Cool Club Cultures · von Jörg Burger · S. 520 - 519
Titel: Cool Club Cultures , 1996

Cool Club Cultures

Philosophenbeat

Ulf Poschardts »DJ-Culture«

Alle paar Jahre mal behält einer einen klaren Kopf und erschreckt die Tagwelt mit den Geheimnissen der Popkultur. Jetzt begeht der Münchner Journalist Ulf Poschardt Verrat: In dem Buch “DJ-Culture” entreißt er die Figur des Diskjockeys dem Dunkel und verwandelt sie in eine Lichtgestalt – für Poschardt ist der anonyme Plattendreher ein Retter des Fortschritts, ein Held der Aufklärung und der künstlerischen Avantgarde. Der Autor lehnt sich aus dem Kellerfenster des Undergrounds, um den Kulturbetrieb zu ärgern, weil er den Pop so schmächlich ignoriert. Und weil er selbst Diskjockey ist, nimmt er sein Sujet schon aus Eigennutz furchtbar ernst. Deshalb hat er tief in die Popgeschichte gegraben und zeichnet den englisch “DJ” genannten Musikwerker als historische Person: Der erste Plattenkünstler war ein amerikanischer Ingenieur, der über Funk ein Werk von Händel spielte – im Jahre 1906. Bereits in den dreißiger Jahren feierte Amerika seine ersten DJ-Stars, die Bestechungsgelder kassierten, damit sie im Radio die rechten Lieder spielten, in der Disco der Siebziger wurde der DJ zum Virtuosen, im Klub der Achtziger berühmt, und in den Hallen der Neunziger fallen Tausend vor DJ-Göttern wie Sven Väth oder WestBam in Trance.

Aber Poschardt will mehr als nur Geschichte schreiben. Er rückt den DJ ins Zentrum westlichen Kulturstrebens. Doch damit keiner glaubt, dem Nebenberufs-DJ Poschardt seien die Beats zu Kopf gestiegen, schlägt er mit den Keulen der Geistenswissenschaft zu: Klug verwertet er Nietzsche, Marx und Adorno, sammelt Gedanken wie ein DJ Soundstücke und mischt harten zeitgenössischen Philosophenbeat in den dröhnenden…

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