Heinz-Norbert Jocks
Picassos Welt der Kinder
Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, 9.9. – 3.12.1995
Staatsgalerie Stuttgart, 16.12. – 10.3.1996
Die Reise ins Picasso-Land führt immer wieder zu unbekannten Ufern, diesmal in seine reiche, aber nie im engeren Sinne idyllische “Welt der Kinder”. In deren Gesetze führt die Kunstsammlung NRW ein, als sei erst mit der jüngsten Ausstellung das Tor zu einem bis dahin verschlossenen Kosmos aufgestoßen worden. Der ewige Wandel eines zentralen Motivs, das sich fast durch das ganze Werk zieht, alle Stilphasen berührt und nur einmal, während der kubistischen Jahre von 1906 bis 1919, pausiert, ist nun wunderbarerweise zu besichtigen.
Daß erst heute nachgeholt wird, was sich viel eher als Sujet hätte aufdrängen können, irritiert im nachhinein insofern, als das Motiv uns sowohl in Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen wie in Grafik durchaus präsent und zudem geläufig war, daß Picasso, der Wunderknabe, den Vater, der sein Lehrer war, angeblich so sehr faszinierte, daß dieser fortan zu malen aufhörte. Von hier aus stellen sich Fragen, die sich erst jetzt beantworten lassen: Wie erlebte Picasso seine eigene Kindheit und die seiner Kleinen? Was bewegte ihn bei deren Darstellung und seinem Blick auf fremde Kinder? Mehr die formalen Lösungen, mehr die Inhalte, die sich darin ausdrücken? Daß er bereits als Vierzehnjähriger, wie von der Ausstellung belegt, in akademisch akurater Manier ein Puttenrelief zeichnete und sich so ein Motiv aneignete, das über Jahrzehnte abrufbereit blieb, bevor er es in die Mythologie seiner Spätkunst übersetzte, zeigt, wie sehr es zum Inventar gehörte und ihn nicht nur äußerlich, auch innerlich beschäftigt haben…