Thomas Wulffen
Positionen heutiger Kunst
Nationalgalerie, 23.6.-18.9.1988
Beide Ausstellungen, ‘Zeitlos’ und ‘Positionen heutiger Kunst’ müssen im Kontext der Berliner Kunstlandschaft gesehen werden, denn beide reagieren in unterschiedlicher Weise auf vorhandene Defizite. Die lassen sich mit Namen belegen oder mit Themen. Bestimmte Künstler sind mit ihren Positionen in der Stadt nicht präsent. Das gleiche gilt für spezifische Themen. Erst mit einer Verzögerung von zehn bis fünfzehn Jahren bekommen aktuelle Strömungen in Berlin ein Forum, das ihnen gerecht wird. Szeemanns ‘Zeitlos’ kann sich in diesem Umfeld ganz anders behaupten, als würde es sich in Düsseldorf, Köln oder Basel präsentieren. Von daher ist ‘Positionen heutiger Kunst’ eine gelungene Aufarbeitung jüngster Defizite (wie sie es schon die Ausstellung ‘Kunst in der Bundesrepublik Deutschland 1945 – 1985’ getan hat). Konzentriert auf sechs Positionen präsentierte sie ein Spektrum von Kunst, das sich dem Tempelcharakter des Baus von Mies van der Rohe (der dieses Jahr sein zwanzigjähriges Jubiläum feiern kann) angemessen zeigt. In diesem Sinne erweckt der Titel vielleicht falsche Assoziationen, aber wer hätte sich den Titel ‘Positionen arrivierter Kunst’ zugetraut. Mit Serra, Twombly, Paik, Stella. Kounellis und Merz ist kaum mehr ein Risiko einzugehen. Sämtliche Positionen sind abgesichert, soweit, daß sich Kounellis in der Arbeit ‘Senza Titolo’ von 1986 schon wieder selber zitieren kann. Wer die aktuelle Kunst mit gegenwärtiger Kunst gleichsetzt, wie es Dieter Honisch im Vorwort zum Ausstellungskatalog tut, der erliegt gerade dem Proporz, der im Vorwort abgewiesen wird. Die Aktualität der vorgestellten Arbeiten liegt zehn bis fünfzehn Jahre zurück (s. o.). Das wird indirekt zugegeben,…