Roni Horn
Jenseits von Gut und Böse
Fondation Beyeler 02.10.2016 – 01.01.2017
von Max Glauner
„Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein,“ heißt es bei Nitzsche. Vielleicht ist dieser Satz der Satz, der Roni Horns keineswegs umfassende oder umfangreiche, jedoch großartige Ausstellung in der Fondation Beyeler am treffendsten umschreibt. Mehr ist im Grunde nicht zu sagen. Außer: Lieber Leser, gehen Sie dorthin, schauen Sie es sich an, solange Zeit bleibt. Ihnen entgeht sonst ein unbeschreibliches Erlebnis, nach dem Sie einmal tief Luft holen und lächelnd und nachdenklich schweigen.
Woran das liegt? Sicher daran, dass hier der seltene Fall gegeben war, dass eine Kollaboration zwischen Kurator und Künstler gelang – unprätentiös und diskret, gegen, beziehungsweise mit der Blockbuster-Ausstellung zur Künstlerfreundschaft von Franz Marc und Wasily Kandinsky im gleichen Haus. Epochemachendes Farbgewitter der Großkünstler mit garantiertem Publikumsstrom hier. Zurückgenommen kluge Raum- und Objektinszenierung eines magischen Konzeptualismus dort.
Dieser findet seine Qualität gerade darin, dass er über das gelungene Einzelobjekt hinaus eine ästhetische Erfahrung des Gesamten vermittelt, die in keiner anderen Weise, keiner anderen Gattung, keinem anderen Medium oder Setting zu vermitteln ist. So wirkt die Kunst Roni Horns wie aus der Zeit gekippt und ist doch zeitgenössisch durch und durch.
Die Künstlerin, 1955 in New York in eine säkulare jüdische Mittelstandsfamilie geboren, gehört längst zu den „Großen“ ihrer Zunft obwohl sie eher als Künstlerkünstlerin gehandelt wird, als dass sie bei einem breiten Publikum Popularität genösse. Zuerst in Europa anerkannt, ihre erste Einzelausstellung hatte sie 1980 im Kunstraum München, war sie…