Sprengmeister der Zierknopfleiste
Mike Kelleys abgründig projektive Stoffoberflächen
von Ellen Maria Wagner
Um über textile Aspekte im Werk Mike Kelleys (1954 – 2012) zu sprechen, lässt sich am besten mit einer Arbeit aus Pappmaché im Zementlook beginnen. Balanced by Mass and Worth (2001) besteht aus zwei torpedoförmigen Gebilden. Während eines davon einen einzelnen Wahlkampf-Pin von 1940 trägt, ist das andere mit bunten Knöpfen übersät und wiegt durch die Masse an billigem, doch mit persönlichen Erinnerungen aufgeladenem Krimskrams den Wert des seltenen Sammlerstücks auf. Kelleys Memory Ware-Serie umfasst auch Plastikkanister, einen knorrigen Ast und tafelbildartige Formate, auf denen sich Perlen und Anstecknadeln den Knöpfen wie in pointillistischen Gemälden beigesellen, glitzernde, gurgelnde Farbwirbel bilden. Der textile Grund, an den sich Accessoires wie diese sonst heften, ist verschwunden. Die Oberfläche gibt sich zugeknöpft, hält sich aus bloßer dekorativer Kraft zusammen, dem horror vacui entgegen.
Ich muss zugeben: Ich hege starke Abneigung gegen Knöpfe. Auch wenn ich keine panische Angst vor ihnen habe – der Fachausdruck lautet Koumpounophobie –, kann ich mir wenig Hässlicheres vorstellen als einen glatt polierten Knopf. Dieselben Objekte, auf die sich die sentimentale Sammelwut der einen richtet, ruft bei anderen (etwa bei mir) Ekel hervor. Und mit dieser Feststellung sind wir mitten im Werk Kelleys, in dem mehrdeutige Oberflächen, zwischen Anziehung und Abstoßung pendelnd, uns meistens doch beides auf einmal zumuten. So kommt es, dass ich fasziniert hängenbleibe, mit den Augen Rundung um Rundung eines kleinen Stücks Plastik nachfahre, das in der Mitte zwei Löcher hat, mich anschaut und anlacht und fassungslos macht.
Bekannt…