Steirischer Herbst. Bis weit in die sechziger Jahre sei das steiermärkische Kulturleben durch provinzielle Enge bestimmt gewesen, behauptet Günter Eisenhut. “Der steirische Herbst” gilt freilich inzwischen als Highlight unter den alpenländischen Kunstfestivals, man möchte das, was über die diesjährigen Projekte bekannt wurde, sogar als Korrektiv zu dem unerträglichen Mozart-Rummel begreifen. Die Dokumentation über den Beitrag “Friseur Kombinationsprojekt Nicht Nur”, die Peter Rataitz zusammengestellt hat, läßt jedenfalls ahnen, daß mit den Überlieferungen barocken Pomps durchaus unbefangen, wenn nicht gar frivol, umgegangen werden kann. Dies mag zumindest für die fotografische Überlieferung der Installationen gelten, die schwere Säulen und verschnörkelte Stuckdecken konterkarieren, während sich in den Textbeiträgen manchmal doch der Traditionsballast in einer gespreizten Sprachgewalt offenbart, die für das intellektuelle Milieu Austrias nicht untypisch ist. Kulturgeschichtlich aufschlußreich sind Ingo Andruchowitz’ Ausführungen über “Haartracht und Menschenbild”; der spätmittelalterliche Bader und Barbier wird als Repräsentant eines “weltlichen Geistes” umschrieben, den es nach sinnlicher Freude im Badehaus gelüstete und der -obwohl dies als Sünde galt – der Eitelkeit frönte, da sich nur so der “Ekel vor dem Menschen” überwinden ließe. Ekelgefühle löst beim Anblick des Mitmenschen alles aus, was an den eigenen physischen Verfall und letztlich an den Tod gemahnt. Peter Rataitz beeilt sich zu versichern, daß bei diesem Projekt “mit Hilfe der Metapher ‘Friseur’ versucht” wurde, ” die verschiedenen Ebenen der Strukturen zum ‘Schweben’ zu bringen”. Dieser Schwebezustand entsteht z.B. durch heutigen künstlerischen Eingriff in historische Räume als Anhalten von Zeit. Dies ist tatsächlich durchaus vergleichbar mit der kosmetischen oder haarkünstlerischen Korrektur physischer Verfallsprozesse.
J.R.
Zum fünften…