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KUNSTFORUM-Serie: 100 Jahre Joseph Beuys · von Hartmut Kraft · S. 304 - 310
KUNSTFORUM-Serie: 100 Jahre Joseph Beuys ,

Tränenaschenteig

Joseph Beuys: Gedichte
von Hartmut Kraft

Seine Dankesrede zur Verleihung des Wilhelm-Lehmbruck-Preises am 12. Januar 1986 war der letzte öffentliche Auftritt von Joseph Beuys. Nur wenige Tage später, am 23. Januar, ist der Künstler verstorben. Seine frei gehaltene Rede wurde vom Tonband transkribiert und posthum veröffentlicht. Beuys beendete seine Rede mit einem Gedicht:

„Schütze die Flamme. / Denn schützt man die Flamme nicht, / ach eh’ man’s erachtet, / löscht leicht der Wind das Licht, / das er entfachte. / Brich dann Du / ganz erbärmlich Herz / stumm vor Schmerz.“ 1

Aus der Rede selbst war nicht zu erkennen, wen Beuys hier zitierte. Erst in der kurz darauf erschienenen Publikation zur Preisverleihung findet sich die Angabe, dass es sich um einen Text von Pietro Antonio Metastasio (1698–1782) handelt. Dieses kurze Gedicht findet sich zusätzlich auch in dem von Eva Beuys herausgegebenen Buch „ Das Geheimnis der Knospe zarter Hülle“ (2000).2 Dieses Buch eröffnet einen faszinierenden Einblick in die Werkstatt des verstorbenen Künstlers. Es enthält Texte in deutscher und englischer Sprache,3 Briefe an die Eltern, Entwürfe für Vorträge, Diagramme zu Politik, Kybernetik und vielen anderen Themen. Längere Manuskriptentwürfe und Zeichnungen sind auch darunter. Der Leser wie auch Betrachter erhält einen Einblick in das Denk-LABOR des Künstlers (von ihm in Versalien geschrieben), kann ihm sozusagen bei der Entwicklung seiner Konzepte und Ideen über die Schulter schauen. Dabei finden sich berühmt gewordene Aussagen wie „Jeder Mensch ist ein Künstler“,5 „der „erweiterte Kunstbegriff“6 oder pointierte Aussagen wie „Ideologie = theoretische Triebbeschönigung“.7 Auf vielen Zetteln, zumeist bereits gebrauchten…

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