Peter Funken
Unica Zürn
Retrospektive
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK),
17.10. – 22.11.1998
Ihr Leben scheint eine produktive Tragödie gewesen zu sein. 1959, elf Jahre vor ihrem Suizid, schreibt Unica Zürn: “Nach dreiundvierzig Lebensjahren ist mein Leben noch nicht ,mein’ Leben geworden”. Kurz vor ihrem Tod äußert sie in extremer Selbstdistanzierung: “Wie arm ist ihr Leben geworden”. Ein Jahr vorher hatte sich Unica Zürn endgültig von ihrem Lebensgefährten, dem surrealistischen Künstler Hans Bellmer getrennt. Bellmer hatte gerade einen Schlaganfall erlitten, von dem er sich nicht mehr erholen sollte. Auch Unica Zürn war zu diesem Zeitpunkt krank, einsam und desillusioniert.
Daß sie nicht nur experimentierende Dichterin, sondern auch bildende Künstlerin war, insbesondere Zeichnerin, mag bekannt sein: Die Retrospektive in der NGBK beweist nun an mehr als 200 Werken erstmals die immense Intensität und Konzentration, die Unica Zürn in ihre “zweite Sprache” legte. Im Katalog zur Ausstellung schreibt Rike Felka in Anlehnung an Michel Foucault, daß Unica Zürns Texte “eyeopener” seien, die zeigen, daß der Wahnsinn Literatur inauguriere und die Literatur den Wahnsinn transportiere. Unica Zürns Wahnsinn besaß Methode. Seit 1953, dem Jahr ihrer Begegnung mit Bellmer (“Der Mann im Jasmin”), zeichnete sie intensiv und akribisch bis zu ihrem Tod, wobei sie von Anbeginn einen eigenständigen, unverwechselbaren Zeichenstil besaß. Eigentlich kann man in ihrer Graphik eher eine Methode, einen Modus der Darstellung denn einen Stil registrieren, und deshalb gibt es in Unica Zürns zeichnerischen Werk auch kaum eine nennenswerte Entwicklung – alles ist schon von Anbeginn da.
Das Zeichnen muß ihr ein Abenteuer in den Provinzen…