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Monografie · von Stephen Willats · S. 93 - 103
Monografie , 1979

Stephan Willats
Unter Druck leben

Der vorliegende Artikel handelt von drei Werken, die im Verlaufe eines DAAD-Künstlerstipendiums für West-Berlin entstanden sind. Die Arbeiten, die die Nationalgalerie im nächsten Jahr auszustellen beabsichtigt, weisen eine direkte Beziehung zu West-Berlin auf, indem sie zum Thema erheben, wie das Individuum kontinuierlich unter dem psychischen Druck der umgebenden Kultur steht. Alle drei Arbeiten wurden im April dieses Jahres begonnen und drehen sich darum, wie die physische Welt als eine Äußerung unserer Kultur die eigentliche Erfahrung einiger Einwohner West-Berlins bestimmt. Die Methode der Interaktion, die während der Arbeit an “Living With Practical Realities” London 1978 angewandt wurde, gibt für diese drei Werke das Vorbild ab. Von daher will ich zunächst das frühere Werk als Bezugspunkt erörtern.

“Verengte Realität”

Der vorherrschende Druck, den unsere Kultur ausübt, zwingt das Individuum, das eigene Ich von den anderen abzusetzen. Eine Folge, die diesen Druck begleitet, ist die psychische Reduzierung des Ichs und die Wahrnehmung anderer als Objekte. Ein solcher psychischer Zustand bedeutet eine Anerkennung und Verstärkung unserer auf Eigentum begründeten Kultur. Der Druck ist ein übertragener, durch verschiedentliche Medienzwänge auf die Realität des Individuums projiziert, etwa durch Zeitungen, Fernsehen oder Werbung, die dem Subjekt ferne idealisierte Stereotype zum Zwecke der Konkurrenz aufdrängen. Während das übertragende Medium von einer fernen Quelle aus unsere Verinnerlichung von Realität beeinflußt, schränkt eine soziale und physische Welt diese Realität zusätzlich ein.

Die physische Welt um uns ist selber eine gebieterische Äußerung der institutionellen Idealisierungen der Gesellschaft und verstärkt daher ein objektgerichtetes Wahrnehmungsraster. Der autoritäre Determinismus, der dem Aufbau der…


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