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Titel: 54. Biennale Venedig · von Michael Hübl · S. 28 - 43
Titel: 54. Biennale Venedig , 2011

Michael Hübl
Viele Tote und ein kleiner Tod

Selten stand eine Biennale di Venezia so sehr im Zeichen des Memento mori

Killer-Bakterium trifft Dr. Tod: Wer am Tag der offiziellen Biennale-Eröffnung den „Corriere della Sera“ aufschlug, der stieß etwa in der Mitte des Blattes auf zwei sich gegenüberliegende Seiten, die man zusammen als Themenblock auffassen konnte. Links ausführliche Berichterstattung über die Ehec-Epidemie, aufgelockert durch ein Foto spanischer Bürger, die in Benalmádena bei Malaga öffentlich frische Gurken verspeisen, um das Gemüse gegen den grassierenden Ruf als Erreger-Bombe zu verteidigen 1. Rechts ein Nachruf auf Jack Kerkovian, den Guru der Sterbehilfe. Er war der Erfinder des Thanatrons, einer Suizid-Maschine, die es Menschen selbst noch im Zustand physischen Verfalls ermöglicht, die automatische Infusion eines letalen Cocktails mehrerer Substanzen auszulösen. Körperlich bereits zu sehr geschwächt, um ein solches Gerät bedienen zu können, sei Kerkovian akustisch umhüllt von Musik Johann Sebastian Bachs langsam entschlafen 2. Die beiden Berichte wirkten wie dokumentarisches Begleitmaterial zur internationalen Großschau in Venedig.

Seit gut zwei Jahrzehnten stellen die künstlerischen Direktoren der Biennale di Venezia ihre Auswahl unter ein Motto, folgen einer fest umrissenen, mehr oder minder aktuellen Problematik. Manchmal korrespondierten die Beiträge in den nationalen Pavillons mit dem offiziell übergeordneten Diskurs, so etwa 1995, als die USA in ihrem Pavillon „Buried Secrets“ von Bill Viola zeigten – eine Abfolge von fünf Video-Installationen, die schon deshalb gut zu dem damaligen Generalthema „Identität und Alterität“ passten, weil in den filmischen Bildabläufen die abgelichteten Personen zu fließenden Schemen wurden, mithin die Grenzen zwischen ihnen zu verschwinden…


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