Hans-Dieter Fronz
Walter Stöhrer
»Der Mensch ist ein Augentier«
Kunsthalle Karlsruhe, 7.7. – 21.10.2012
Alles fließt. Walter Stöhrers Malerei mit dem vieldeutigen Titel „Am offenen Ende der Träume“ ist ein Bild in Bewegung. Hier überströmen Farbwogen das Geviert, dort bilden sich Strudel und Wirbel von intensiver Farbigkeit, die an den Rändern in bunten Strichlagen zersprühen. Schwarzkurvige Umrisslinien fassen Teile der Komposition in scheinbar dauerhafte Formen, die sich doch im nächsten Augenblick – da sind wir sicher – auflösen, verändern, in neue Formen übergehen werden. Malerei als Proteus und Durchgangsstation, als Momentaufnahme eines dynamischen Geschehens.
Die geräumige Mischtechnik auf Leinwand bildet das Entree zur großen Stöhrer-Schau der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, die in der Orangerie Gemälde, Gouachen, Zeichnungen und Druckgrafik(folg)en mit einer Anzahl der bislang kaum beachteten Skizzenbücher kombiniert. Nicht weniger als 39 dieser von Stöhrer selbst so genannten „Kladden“ aus den frühen Sechzigerjahren – mit Nadel und Faden zu Heften zusammengenähte Skizzenblätter und Zeichnungen auf billigem Papier, Tüten oder Briefbögen – sind in Vitrinen ausgelegt. Eingebettet ist das Ganze in eine Präsentation von Kunst seit 1950 aus den Sammlungsbeständen der Kunsthalle: mit Werken wie Ernst Wilhelm Nays informeller „Strahlung“ in Öl von 1964, einer titellosen gestischen Malerei auf Fotopapier von K. R. H. Sonderborg oder Asger Jorns intensiv farbiger Abstraktion „Orientation extreme“; aber auch mit gegenständlichen Bildern von Sigmar Polke und Tatjana Doll oder Arbeiten von Weggefährten und Freunden Stöhrers wie Horst Antes, Dieter Krieg und Arnulf Rainer, die zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion oszillieren gleich Stöhrers Malerei selbst. Zusammengestellt aus Anlass des sechzigjährigen Landesjubiläums…