Dirk Schwarze
Zwei ungleiche Schwestern
Kongress documenta/Biennale
Für den Schweizer Harald Szeemann bedeutete die Berufung zum Ausstellungsleiter der Biennale von Venedig einen dreifachen Triumph: Als erster Ausstellungsmacher kann er nun auf Erfahrungen mit der documenta und der Biennale zurückblicken. Er konnte zudem in diesem Jahr damit beginnen, die Biennale-Strukturen, an denen er sich schon immer gerieben hatte, aufzubrechen; und so knackte er den italienischen Pavillon. Außerdem konnte er der Kunstwelt vorführen, dass sehr wohl auch ein 66-Jähriger in der Lage sei, eine aktuelle und der Jugend geöffnete Kunstschau innerhalb kürzester Frist auf die Beine zu stellen. Das kostete er auch deshalb aus, weil für die Kasseler documenta das ungeschriebene Gesetz gilt, der künstlerische Leiter sollte nicht viel älter als 40 sein, und weil auch eben daher Szeemann eine zweite Berufung an die documenta-Spitze versagt blieb. Dabei war er es 1972 gewesen, mit dem der Reigen der 40-Jährigen in Kassel begonnen hatte.
Szeemann war ob seiner Biografie der ideale Gesprächsteilnehmer für den Kongress documenta/ Biennale, zu dem Mitte November die Kunsthochschule Kassel ( Prof. Gabriele Huber) in Zusammenarbeit mit dem Kasseler Kunstverein und der documenta in das Museum Fridericianum eingeladen hatte, das seit 1955 das Stammhaus und der Identifikationspunkt der documenta ist. Aber Szeemann hatte nicht mehr Zeit, als zur Eröffnung ein längeres Grußwort zu sprechen, in dem vor allem von seiner Biennale erzählte und seine Begeisterung über die neu gewonnenen Räume im Arsenale bekundete. Es klang wohl durch, dass er einige Elemente des Prinzips documenta auf die Veranstaltung in Venedig übertragen wollte.
Die entscheidende…