documenta: Jetzt Streit um überklebte Kopfbedeckung

22. August 2022 · Kulturpolitik

Keine Schwierigkeiten haben die Tageszeitungen, in diesem Jahr das mediale Sommerloch zu füllen – dank der Kasseler Documenta. So meldete die HNA-Hessisch Niedersächsische Allgemeine, dass die documenta bei den Aufsichtskräften an Personalmangel leidet, nicht zuletzt an Ausfällen wegen Corona. Finanziell attraktiv ist der Aufsichtsjob nicht: er wird mit nur 10,50 Euro/Std. entlohnt. Derweil ließ „Die Welt am Sonntag“ Nicole Deitelhoff, die „Vorsitzende des documenta-Expertengremiums“ zu Wort kommen, nachdem auf einem Werk von Taring Padi eine Kopfbedeckung überklebt wurde: „Das Gremium war weder über das Überkleben informiert noch über die Entfernung von Werken aus der Ausstellung…“ dies sei „unangemessen“ und behindere die Arbeit des Gremiums massiv. Allerdings ist eine nachträgliche Veränderung eines Kunstwerks durch dessen Urheber durchaus zulässig – ein Künstler oder eine Künstlerin allein entscheidet, wann ein Werk vollendet ist. Um bei dem Bild „All Mining ist Dangerous“ eine Verwechslung mit einer Kippa zu vermeiden; hätte Taring Padi „als Präventivmaßnahme gegen mögliche Fehlinterpretationen“ die Mütze überklebt, zitiert der Berliner „Tagesspiegel“ aus einer Erklärung des kuratorischen Teams ruangrupa. In Wirklichkeit handele es sich bei diesem Motiv „um eine Figur aus dem in Indonesien populären Puppentheater Wayang. Sie trage die typische indonesische Kopfbedeckung ‘Kopiah’, auch ‘Songkok’ oder ‘Peci’ genannt, die anders als die Kippa bis zu den Ohren reicht. Thematisch ginge es bei diesem Bild um die „Ausbeutung durch Bergbau in Indonesien“. Das „Junge Forum der „DIG-Deutsch-Israelischen Gesellschaft hatte die Mütze als Kippa gedeutet – in diesem Fall tatsächlich eine Fehlinterpretation, wie auch „Die Welt“ einräumt, um gleichzeitig darauf zu bestehen: „Die anderen Details sind aber weiterhin als antisemitische Stereotype zu interpretieren. Sie sind zentrale Merkmale judenfeindlicher Karikaturen.“ All die Missverständnisse, Gereiztheiten, Kommunikationspannen, verbalen Pöbeleien und ideologischen Einseitigkeiten haben inzwischen eine Eigendynamik erreicht, die bis zum Ende der documenta in rund einem Monat wohl kaum noch unter Kontrolle zu bekommen ist.

Dazu in Band 283 erschienen:


WEITERE NACHRICHTEN

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
KUNSTFORUM Probe lesen

„KUNSTFORUM ist ein Magazin, das so gut wie jedes Thema, das wichtig ist, beackert hat, und es ist so umfangreich, dass ich manchmal noch einmal in Heften von vor zehn Jahren schaue, und nicht selten erweist sich Kunstforum als eine Fundgrube…“ – Kasper König

Jetzt nur noch kurz bestätigen...

Wir freuen uns über Ihr Interesse am KUNSTFORUM Newsletter! Sie haben nun eine E-Mail an die von Ihnen angegebene Adresse bekommen, bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung über den Link!

OK
BIENNALE
GUIDE 2024
JETZT
BESTELLEN