Vie de Chateau – Schlossleben in Frankreich im Sommer 2019

12. August 2019 · default

Leonardo da Vinci wird in diesem Jahr vor allem in Italien und in Frankreich gefeiert, in seinem Heimatland und in dem Land, in dem er vor 500 Jahren gestorben ist. In Mailand , wo er von 1482 bis 1499 am Hofe der Sforza tätig war, ist Leonardo ständig präsent – unter anderem mit dem „Abendmahl“ im Refektorium des Konvents von Santa Maria delle Grazie. In Frankreich, wo er in der Kapelle des Loire-Schlosses Amboise begraben ist, zünden die Loire-Schlösser ein wahres Feuerwerk von Leonardo-Events ab: Von Chambord bis Blois und Amboise bis Rivau wird die Renaissance gefeiert – im Mittelpunkt: Leonardo der Erfinder, Architekt, Ingenieur. Seine malerischen Hauptwerke sind im Pariser Louvre zu besichtigen – allen voran die „Joconde“, genannt „Mona Lisa“. Leonardo hat sich nie von diesem Porträt getrennt, und François I, der den italienischen Künstler 1516 an seinen Hof in Amboise geholt hatte, kaufte es schließlich aus dem Nachlass für die königliche Sammlung.

Das Musée Condé in Chantilly nördlich von Paris erzählt jetzt die Geschichte einer ganz anderen „Mona Lisa“, der „Joconde nue“. Die großformatige Zeichnung einer Frau mit entblößtem Oberkörper, deren Gesichtszüge der „Mona“ aus dem Louvre zum Verwechseln ähnlich sind, hat Henri d’Orléans, Herzog von Aumale, 1862 erworben – als Werk Leonardo da Vincis. Bei der Zeichnung handelt es sich um einen Vorlage-Karton. Das heißt, die Hauptlinien sind perforiert, so dass sie mit Hilfe von Kohlestaub übertragen werden können. So entstanden Bild-Kopien auf Leinwand, wie eine „Gioconda nuda“, die in der Eremitage von Sankt Petersburg lange Zeit als Originalwerk von Leonardo hing. Als dessen Urheberschaft angezweifelt und das Gemälde schließlich nur noch als Arbeit aus Leonardos Werkstatt deklariert wurde, kamen auch Zweifel an der Zeichnung in Chantilly auf. Die Labors des Louvre nahmen die 75 mal 56cm große Kohle-Zeichnung mit Bleiweiß-Höhungen noch einmal gründlich unter die Lupe.

Das Resultat wird diesen Sommer (bis zum 6. Oktober) im Jeu de Paume des Schlosses von Chantilly vorgeführt. Indizien wie Strichelungen, die nur von einem Linkshänder – der Leonardo bekanntlich war – stammen können, sprechen für ein Original-Werk. Andere Fakten, wie die Tatsache, dass auch sein Schüler Francesco Melzi Linkshänder war, schränken die Hoffnung wieder ein, einen „echten Leonardo“ zu besitzen. Die lächelnde Dame behält also ihr Geheimnis für sich. Die Leonardo-Spezialisten und Kuratoren der Ausstellung – Mathieu Deldicque (Musée Condé), Vincent Delieuvin (Louvre) und Guillaume Kazerouni (Rennes) – haben um die rätselhafte Zeichnung rund vierzig Bilder versammelt, die das Thema Halbakt und schöne Frauen aufgreifen – darunter die hübsche „Kurtisane als Flora“ (Bartolomeo Veneto, ca 1505) aus dem Frankfurter Städel und das vergnügte Geschwisterpaar d‘Estrée im Badezuber (Schule von Fontainebleau, um 1600, Louvre).

Wer noch mehr schöne Frauen bewundern mag, diese allerdings züchtig bekleidet, der sollte sich in den Ausstellungsräumen des Musée Condé im Schloss von Chantilly „Le miroir des dames“ (Der Spiegel der Damen, auch bis zum 6. Oktober) anschauen. Die königlichen Familienmitglieder und vor allem die Hofdamen von Catherine de Medicis haben dort ihren großen Auftritt, porträtiert von François Clouet: Isabelle de France, Eléonore von Habsburg, Isabeau d’Hauteville. Die feinen Zeichnungen und Pastelle geben die Stoffe und Spitzen, den Schmuck und die Haartracht als wahre Wunderwerke der höfischen Renaissance-Kultur wieder.

Noch mehr Schlosszauber wird westlich von Paris, im Schlosspark von Versailles, geboten: Jedes Jahr präsentieren zeitgenössische Künstler dort Werke zu einem besonderen Thema. Für 2019 haben sich die Kuratoren Alfred Paquement und Jean de Loisy „Visible/Invisible“ (Sichtbar/Unsichtbar, bis 20. Oktober) vorgenommen. Die Gästeliste reicht von Nan Goldin bis Martin Parr, von Eric Poitevin bis Dove Allouche. Und die Kunstbeiträge reichen von der unterirdischen Erforschung des hydraulischen Systems der Wasserzufuhr für die ungezählten Brunnen (Goldin), von fotografierenden Schlossbesuchern (Parr) bis zu unscheinbaren Pflanzen aus dem königlichen Park (Poitevin) und den zu abstrakten Großformaten konzentrierten Materialproben aus den Schlossbauten (Allouche): Ein bunter erfrischender Strauß von Einfällen zum Thema „Sichtbar/Unsichtbar“ in außergewöhnlicher Umgebung. Jedes Jahr kann man gespannt sein, welches bislang noch nicht erkundetes Gelände und welche Gebäude im weitläufigen Schlosspark von Versailles es zu entdecken gilt. Denn „La vie de Chateau“, das Schlossleben ist in Frankreich schier unerschöpflich. (Amine Haase)

www.louvre.fr   

www.musee-conde.fr

www.chateauversailles.fr

Dazu in Band 166 erschienen:


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