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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 40 - 43
Fragen zur Zeit ,

Fragen zur Zeit
Viel beschworen – längst verloren?

Himmel: Anmerkungen zu einem Motiv der bildenden Kunst
von Michael HÜBL

Es ist, als sei ein Volkslied Bild geworden. „Weißt du wieviel Sternlein stehen“ dichtete mitten im Biedermeier der evangelische Pfarrer und Literat Wilhelm Hey. Vija Celmins, so scheint es, hat diese Frage in einer Reihe von Werken visualisiert. Neuerdings zu sehen in einer groß angelegten Präsentation, welche die Fondation Beyeler der Künstlerin gewidmet hat.1

Celmins hat sich in ihren Werken mit Oberflächenstrukturen von Spinnennetzen, Ozeanen und Wüsten, aber auch mit Tiefenräumlichkeit auseinandergesetzt, wie sie der Blick ins Weltall mit seinen Galaxien offenbart. Lichtpunkt für Lichtpunkt leuchtet etwa das „Haar der Berenike“ (Coma Berenices) mit seiner Sternenschar in der anscheinenden Unendlichkeit der malend und zeichnend vielschichtig aufgebauten dunklen Bilder.

Verkürzt gesagt: Celmins richtet ihr Augenmerk auf den Himmel. Und sie ist damit nicht allein: So haben etwa Francesco Perozzi und Marcella Russo im italienischen Pergola eine Ausstellung kuratiert, die sie Oltre l’ultimo cielo2 nennen. Der Titel der Auswahl an Arbeiten von neun Künstlern und einer Künstlerin weckt unmittelbar Assoziationen an Flammarions Holzstich, 1888 erstmals veröffentlicht. Lange wurde die Druckgraphik für ein Produkt des Spätmittelalters gehalten, scheint sie doch trefflich das Weltbild einer Epoche zu veranschaulichen, in der die Menschen glaubten, die Erde sei eine Scheibe überwölbt von transparenten Sphären. Der Erdenkreis, den Camille Flammarion auf seiner Xylographie wiedergab, ist flach. Ein Pilger hat ihn bis zum terrestrischen Rand durchmessen, schon hat der Kopf des Mannes die letzte Sphäre, den letzten Himmel, l’ultimo cielo, durchstoßen, und eine…

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