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Ausstellungen: Berlin · von Claudia Wahjudi · S. 214 - 216
Ausstellungen: Berlin ,

Berlin
Delcy Morelos

Madre
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart 11.07.2025 – 25.01.2026

von Claudia Wahjudi

 

Pflanzen keimen im Hamburger Bahnhof, dem Museum für Gegenwartskunst der Nationalgalerie. Aus dunkelbrauner Erde sprießen hellgrüne Triebe: mit kleinen, fächerförmigen Blättern die lateinamerikanische Chia, mit schlanken Hälmchen mitteleuropäischer Buchweizen. Delcy Morelos hat die Samen in ihre Installation Madre eingebettet, eine rund 20 Meter lange, sechs Meter hohe, auf Holzgerüsten aufgeschichtete Erhebung aus Berliner Erde und Stroh. Mit dieser Pflanzung widerspricht die Künstlerin aus Kolumbien der ursprünglich europäischen Idee, dass ein Museum Artefakte zeigt. Lebende Wesen dagegen gehören in Botanische oder Zoologische Gärten.

In einer Ecke des Hügels können Besuchende in einen „Profundis“ genannten kleinen Tunnel blicken, und sie können an der Längsseite in drei keilförmige Einschnitte treten, um sich überkopfhoch mit Erde umgeben zu lassen. Diese Aussparungen lassen an Schützengräben denken oder aber an Vaginen. Madre, „Mutter“, ist eine mächtige Arbeit, in der südamerikanische Schöpfungsmythen ein Echo finden, mit ihren Sagen von Matriarchaten, Ideen von beseelten Landschaften und Vorstellungen von Kreisläufen des Lebens. Die Pflanzenreste sollen nach Ende der Schau mit der Erde an ihrem Herkunftsort kompostiert werden, eine Referenz an das kosmologische Denken in indigenen Gesellschaften Kolumbiens und nebenbei an hiesige Nutz- und Kleingärten, in denen ein Komposthaufen lange selbstverständlich war.

Doch auch für Madre gelten konservatorische Bestimmungen. Morelos’ ortspezifische Arbeit steht direkt neben der Sammlungspräsentation mit Werken von Joseph Beuys. Die Erde wurde also desinfiziert, ihr alles Leben ausgetrieben, vor allem mittels der Gewürze, wie Kuratorin Catherine Nichols sagt, mit denen Morelos ihre Erdinstallationen versetzt. Hier sind…

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